Schreibt doch mal was Schönes!

Angesichts der vielen Angesichts der vielen schlechten Nachrichten aus aller Welt fordern immer mehr Menschen, dass die bösen Journalisten doch endlich mal was Schönes schreiben sollen. Als ob es die Journalisten wären, die für schlechte Nachrichten sorgen. Nachrichten aus aller Welt fordern immer mehr Menschen, dass die bösen Journalisten doch endlich mal was Schönes schreiben sollen. Als ob es die Journalisten wären, die für schlechte Nachrichten sorgen.

Durch diese Brille sollen Journalisten schauen, wenn sie über die politische Aktualität berichten... Foto: D. Sharon Pruitt from Hill Air Force Base, Utah, USA / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Ja, die bösen Journalisten! Die schreiben heutzutage so viel über unerfreuliche Themen, dass man fast das Gefühl bekommen könnte, die Welt sei schlecht. Folglich organisieren immer mehr öffentliche Einrichtungen, von der lokalen Ebene bis hin zu den Europäischen Institutionen, Kurse für Journalisten, in denen diesen beigebracht werden soll, wie man „schön schreibt“. Dieser Entwicklung liegt eine dramatische Fehleinschätzung zugrunde. Denn es ist nicht die Aufgabe der Medien, das Versagen der großen Politik schön darzustellen.

Das, was öffentliche Einrichtungen heute als Pressedienst anbieten, grenzt in vielen Fällen an „Fake News“ und in den Augen der öffentlichen Kommunikatoren ist es die Aufgabe der Medien, ihre offiziellen Verlautbarungen unkommentiert einfach wiederzugeben. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Bericht der Robert-Schuman-Stiftung über die Amtszeit von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Auf 17 eng beschriebenen Seiten singt dieser Bericht das Hohelied eines Kommissionspräsidenten, dessen Arbeit als enorm positiv bewertet wird, als 5 glückliche Jahre des europäischen Fortschritts. Was macht nun der Journalist mit einer solchen Nachricht und Pressemitteilung?

Für die öffentlichen Kommunikatoren ist die Antwort einfach: „Sie veröffentlichen das so, wie wir es Ihnen geschickt haben!“. Nur – wie kann ein Journalist schreiben, dass die Amtszeit von Jean-Claude Juncker ein „Erfolg“ war? In diese Amtszeit fällt der „Brexit“, die Unmöglichkeit, Fragen wie die Migration zu klären, der Aufstieg des Rechtspopulismus, die Griechenland-Krise, die europäische Sinnkrise: Nie zuvor war die Zukunft der Europäischen Union stärker gefährdet als heute. Als aus Luxemburg stammender Kommissionspräsident hat Jean-Claude Juncker auch sorgsam das Steuerparadies Luxemburg geschützt und erfolgreich verhindert, dass die größten Unternehmen der Welt in Europa Steuern zahlen. Diese Fehleinnahmen haben stark zu den sozialen Konflikten in vielen europäischen Ländern beigetragen. Was also schreibt der Journalist?

Alle wären zufrieden, würden wir nun ebenfalls laut Beifall klatschen und Jean-Claude Juncker als „Helden Europas“ verabschieden. Das wäre dann eine „schöne Nachricht“. Doch Tatsache ist, dass Jean-Claude Juncker die Europäische Union an den Abgrund geführt, sich als braver Erfüllungsgehilfe der Finanzmärkte aufgeführt und als lausiger Diplomat erwiesen hat. Schreiben wir das, sind wir wieder mitten im Thema, weil wir etwas Negatives schreiben.

An offizieller Stelle hat man den Unterschied zwischen „Information“ und „politischer Kommunikation“ immer noch nicht verstanden und das Angebot, uns Journalisten beizubringen, wie wir das Versagen der Politik durch eine rosarote Brille schönfärben können, ist geradezu bedenklich. In einer Zeit, in der die meisten großen Medien Finanzgruppen und Banken gehören, die nachweislich versuchen, die öffentliche Berichterstattung für sie positiv darzustellen, ist es wichtig, dass es Medien gibt, die nicht diesem finanziell unterfütterten Mainstream unterliegen. Das mag irritierend sein, doch ist eine Freie Presse einer der Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie.

Der Vorschlag „schreibt doch mal was Schönes“ ist schlicht der falsche Ansatz. Der einzig sinnvolle Ansatz muss sich nicht an die Journalisten, sondern an die Politiker richten – „macht doch mal die Dinge richtig!“ – denn dann können wir Journalisten auch über positive Dinge berichten. Denn nicht wir machen die Nachrichten, sondern die Politiker. Wir berichten nur darüber. Wer also „schöne Nachrichten“ haben möchte, sollte nicht die Journalisten, sondern die Politik unter Druck setzen. Aber irgendwie scheint es einfacher zu sein, auf den Überbringer der schlechten Nachrichten zu schießen, als auf diejenigen, die diese Nachrichten zu verantworten haben. Daher – Danke für die vielen Einladungen, bei denen uns schmierige und aalglatte Berater beibringen wollen, wie wir im Dienste der hohen Politik besser lügen können. Wir werden an diesen Kursen nicht teilnehmen. Alles klar?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste