Schüsse auf die Retter

Die libysche Küstenwache, finanziert von der EU, hat das Rettungsschiff „Ocean Viking“ mit Schüssen von einer Rettungsaktion von 80 Schiffbrüchigen vertrieben.

Die Ocean Viking, verfolgt von einem Schiff der libyschen Küstenwache, das die Seenotretter offen angegriffen hatte. Foto: Christian Gohdes / Sea-Watch.org

(KL) – Ist das die europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise im Mittelmeer? Am letzten Samstag fuhr die „Ocean Viking“ zu einer Schiffbruchstelle, wo sich 80 Menschen in akuter Seenot befanden. Doch bevor diese 80 Menschen gerettet werden konnten, griff die von der EU finanzierte libysche Küstenwache ein, drängte die „Ocean Viking“ ab, gab Warnschüsse ab (!) und bedrohte die Besatzung des Rettungsschiffs. Auf die Idee, die Rettung Schiffbrüchiger zu verhindern, kommen die libyschen Küstenschützer allerdings nicht alleine – das tun sie im Auftrag der ach so humanistischen EU, die riesige Summen in Libyen investiert, damit die dortigen verbrecherischen Machthaber verhindern, dass Flüchtlinge nach Europa gelangen. Verwandelt sich die EU gerade vom „größten Friedensprojekt aller Zeiten“ zu einer kriminellen Vereinigung?

Es gibt zahllose Berichte darüber, was mit den Menschen passiert, die so von der libyschen Küstenwache im Auftrag der EU nach Afrika zurückgebracht werden. Diese Menschen werden interniert, es wird Lösegeld von ihren Familien erpresst, es kommt zu Vergewaltigungen und anderen Gewaltexzessen und alles im Auftrag der EU, die damit natürlich sowohl das Geschäftsmodell der Schlepperbanden, als auch die Warlords in Libyen finanziert.

Die Flüchtlinge gehen bei ihrer Flucht in ein vermeintlich sicheres Leben gleich mehrere Gefahren ein. Die Flüchtlingskommissariat der UNO, die UNHCR, berichtet, dass 2019 jeder elfte Flüchtling, der die Überfahrt nach Europa antrat, im Mittelmeer ertrunken ist. Und wenn ein solches Boot in die Hände der libyschen Küstenwache fällt, sind die Flüchtlinge der kriminellen Willkür ihrer von Europa finanzierten Häscher ausgesetzt.

Wo ist denn das humanistische Europa, das zwar gerne blonde und blauäugige Flüchtlinge mit offenen Armen aufnimmt, aber andere Flüchtlinge mit dunkler Hautfarbe entweder zum Tod durch Ertrinken verurteilt oder der Folter durch kriminelle Banden in Libyen aussetzt? Die Prioritäten des „Horts der Menschenrechte“ sind klar – europäische Seenotrettungs-Einheiten wurden abgeschafft, die Grenzschutzorganisation Frontex wurde aufgerüstet (und macht sich weiterhin des „Pushbacks“ von Flüchtlingsbooten kurz vor dem europäischen Festland schuldig) und es wurde viel Geld in Libyen investiert, in Ausrüstung, Ausbildung und die Finanzierung, damit die dortige Küstenwache ihren dreckigen Job im europäischen Auftrag erledigt. Diese „Küstenwache“ verdient eigentlich die Bezeichnung „Küstenwache“ nicht, denn es handelt sich um kriminelle Wegelagerer des Mittelmeers.

Seit Jahren schwadroniert Brüssel davon, auf afrikanischem Boden Asyl-Zentren einrichten zu wollen, um den Flüchtlingen die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer zu ersparen. Die Anwesenheit solcher Zentren auf afrikanischem Boden könnte auch dazu beitragen, die kriminellen Handlungen an aufgegriffenen Flüchtlingen einzudämmen und eine legale Migration zu ermöglichen. Doch geschehen ist nichts – es wurde lediglich die Unterstützung der libyschen Warlords ausgeweitet.

Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer ist einer der vielen politischen und humanitären Offenbarungseide des Brüsseler Europas, das gerade mehr damit beschäftigt ist, die Korruption in den eigenen Reihen einzudämmen, als dass sie humanitäre Aufgaben erfüllt. Humanismus, das sind nicht etwa Waffenlieferungen in Kriegsgebiete und das Pumpen von Milliarden in korrupte Systeme, sondern Aktionen vor Ort. Doch dass nun mit von der EU finanzierten Strukturen Angriffe auf Rettungsschiffe der NGOs gefahren werden, ist eine neue Dimension.

Die 80 Menschen in Seenot, die nicht von der „Ocean Viking“ gerettet werden konnten, wurden von der libyschen Küstenwache zurück nach Libyen gebracht. Was dort mit diesen 80 unglücklichen Menschen geschieht, werden wir nie erfahren. Was in Brüssel wohl niemanden sonderlich interessieren wird.

Sie können die Rettungsarbeit von SOS Méditerrannée durch Spenden unterstützen, damit diese von der EU bekämpften Lebensretter weiter das tun können, was eigentlich die Aufgabe Europas wäre. Klicken Sie hierzu auf DIESEN LINK

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