Schule von Freiburg: Bähm!

Das Museum für neue Kunst in Freiburg scheint sich mit einer phänomenalen Sonderausstellung in neuem Lichtgewand gerade selbst zu überholen.

Peter Zimmermann auf und vor seinem Werk im Freiburger Museum für neue Kunst. Foto: Arne Bicker

(AB) – „MuNeuKu“ – das klingt nicht sexy, da hat uns die englische Sprache etwas voraus, wenn sie ihr „Museum für Neue Kunst“, das „Museum of Modern Art“ als „MoMA“ abkürzen darf. Das klingt nach Mutterbrust, nach Erde, nach Wachsen und Gedeihen, nach Größerem eben. Aber „MuNeuKu“? Das erinnert bestenfalls an japanische Silbenrätsel oder Schwarzwälder Weidemilch. Obwohl beides ja nichts Schlechtes ist. Nur wurden im Freiburger „MuNeuKu“ keine Milchseen, sondern 1.400 Liter Farbe ausgegossen, die nun, gehärtet – bei Lava würde man sagen: erkaltet – den Besuchern zu Füßen liegen.

‚Oh, da vergallopiert sich aber einer an seinen an den Haaren herbeigezogenen Discountmetaphern‘, denken Sie? Mit Recht. Viereinhalb Monate lang war das Museum für Neue Kunst in Freiburg geschlossen. Eine neue Lichtanlage wurde installiert. Die alten Halogenstrahler verschwanden, fernsteuerbare LED-Leisten traten für 430.000 Euro Gesamtkosten an ihre Stelle. Und die belichtpinseln nun als erstes eine aufwändige Sonderausstellung des Konzeptmalers Peter Zimmermann mit dem doppeldeutigen Titel „Schule von Freiburg“. 

Zimmermann, 1956 in Freiburg geboren, vormals Professor an der Kunsthochschule Köln, hat den MuNeuKu-Besuchern ein 400 Quadratmeter großes Epoxidharzbodenexponat quasi unter die Füße gemalt – nach dreimonatiger Ausstellungsdauer wird dieses, vom Originalboden durch eine dünne Plastikfolie getrennt, wieder herausgebrochen und zwangsweise zerstört (hier bitte einen kleinen Gedankenrausch einfügen um die Stichworte „Vergänglichkeit“, „Endlichkeit“, Unverkäuflichkeit“, „Sinn & Zweck“ usw.:__________________________________).

Peter Zimmermann, dessen Arbeiten unter anderem im Centre George Pompidou in Paris und im Museum of Modern Art in New York gelandet sind, hat zudem das weitflächige Wandweiß mit farbenfrohen Ölabstracts behängt, die das Bodengesamtkunstwerk oder Kunstbodengesamtwerk je nach Betrachtungsweise verlängern, reflektieren oder sich ein Stück weit in den Himmel sehnen lassen, und die nicht als stimmig zu bezeichnen schwerer fallen muss als verschimmelten Käse zu essen.

Zum Eröffnungsrundgang am Freitag der Vorwoche gleißte das Sonnenlicht durch die alten Mädchenschulfenster in die Zimmermann-Ausstellung im Obergeschoss, als gäbe es kein Morgen: Licht und Farben, wohin man schaute, dazu ehrfürchtige Erstbegeher als Schattenrisse ihrer selbst in wandelnder Andacht auf leisen Sohlen. Einschub Hirngespinst: Homöopathen könnten ihren Patienten den Museumseintritt auf Rezept ausstellen als Farbtherapie, wenn nicht jetzt, wann dann.

Diese Ausstellung kann durchaus verwirren, verfügt sie doch über eine ungeheuer schmeichelnde Kraft, einen Rausch, eine Vision, die in der Antimillionenmetropole Freiburg so nicht unbedingt zu erwarten ist. Der Mief, das Provinzielle, der Kleingeist, die Makel? Weggeblasen.

Christine Litz, Direktorin des MuNeuKu, war, in diesem Sinne nachvollziehbar, ganz offensichtlich selbst ergriffen und mit sich im Reinen, als sie verkündete: „Ein Wahnsinnsprojekt, aber wirklich schön.“ Dem ist nun ohne grob fahrlässigen Vorsatz oder chemische Selbstverabreichungen schwerlich etwas entgegenzuhalten. Und so durfte die Direktorin quasi ungestraft mit ihrem Fußboden um die Wette strahlen, wobei sie diesen Wettbewerb – gern, so steht zu vermuten – verlor. Und Bitteschön: Diese Ausstellung darf als gelungen betrachtet werden; sie schießt Freiburg in eine etwas höhere Kunstsphäre hinein. Sputnik los und Hut ab.

Oder, wie es Frau Litz im wahrsten Wortsinn entfuhr: „Bähm!“ Ob sie damit diese sphärische Sonderausstellung, deren Titel oder die neue Beleuchtung ihres Hauses meinte, die ihr durch die Fernsteuerung mit einem holzeingefassten Tablet-PC besser gehorcht als jeder Försterdackel – das war dem Ausruf nicht anzumerken. Fünfundachtzig Prozent weniger Strom benötigten die neuen LED-Sonnenbänke am MuNeuKu-Himmel, so die Direktorin, die, ihr elektronisches Hebelwerk wie ein Bodenkranführer schwenkend, durch die Hallen geleitete und darauf verwies, dass sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) mit einhunderttausend Euro an den Lichtanlagenkosten beteiligt hat. Vorläufiges Berichtsende.

Denn es bleibt mindestens eine Frage: „Schule von Freiburg“…? Die Antwort gibt Peter Zimmermann selbst, oder, wie es im beschriebenen Rahmen so oft, so schön heißt: Der Künstler persönlich.

Weitere Infos hier.

Fotos: Arne Bicker

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