Schwer verdauliche „Erfolgsmeldungen“

Die ukrainische Führung und viele westliche Regierungen gehen vom eigenen Wunschdenken aus. Doch die Realitäten sehen anders als die Propaganda aus. Russland hat den Donbass eingenommen.

Diese Realität erleben diejenigen, die Kriege befehlen, niemals selbst. Doch Krieg ist genau das - ein Horror. Foto: Foto - FORTEPAN / Wolf-Ferrari Teodoro / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Seit Monaten hören wir mutige Aussagen der ukrainischen Führung, nach denen schon bald alle ukrainischen Städte wieder befreit sein werden, über ihnen die ukrainische Fahne wehen wird und man den russischen Aggressor für die angerichteten Milliardenschäden zur Rechenschaft ziehen kann. Doch es reicht nicht, die Schlangeninsel zurückzuerobern oder den „Borschtsch-Krieg“ zu gewinnen – Russland hat den gesamten Donbass eingenommen und die Wahrscheinlichkeit, dass die russische Armee von dort wieder vertrieben werden kann, geht stark gegen Null. Diese Realitäten sollte man berücksichtigen, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie es weitergehen soll.

Die Fronten haben sich nicht nur in der Ukraine verhärtet, sondern auch in den westlichen Ländern. Prominente, die Friedensappelle unterzeichnen, werden auf das Übelste beschimpft (klar, Andreij Melnyk, der ukrainische Botschafter ist beim Beleidigen im sicheren Berlin wieder ganz vorne an der Front…), und die Kriegsfans der Bundesgrünen behandeln alle Nicht-Kriegsbegeisterten wie kleine Idioten, die den Ernst der Lage nicht verstanden haben. Dabei könnte es gut sein, dass sich die Bundesgrünen genauso die Welt zurechtträumen, wie sie es sich wünschen. Die Überlegung muss gestattet sein, ob angesichts der militärischen Übermacht der russischen Armee massive Waffenlieferungen lediglich Zerstörung, Leid und Tod in der Ukraine verlängern, ohne dabei eine echte Chance zu haben, sich gegen den russischen Angreifer militärisch durchsetzen zu können. Das wäre nämlich die einzige Rechtfertigung für fortgesetzte Waffenlieferungen, doch an einen militärischen Sieg der Ukraine glauben nicht einmal mehr Militär-Experten.

Doch eine realistische Einschätzung, ob dieser Krieg militärisch zu gewinnen ist, muss die Voraussetzung für weitere Entscheidungen und auch eine gemeinsame Strategie des Westens sein. Mit „Hurra!“ in den III. Weltkrieg zu stürmen, kann nur für diejenigen eine Option sein, die im Geschichtsunterricht gefehlt haben, als die beiden ersten Weltkriege behandelt wurden.

Seit die russische Armee vor über vier Monaten in der Ukraine einmarschiert ist, hat sie zwar einige Rückschläge hinnehmen müssen, mehrfach ihre Strategie geändert, doch letztlich alles erreicht, was sie erreichen wollte. Ziel 1: Den Donbass besetzen. Check. Und dann? Und dann wird es ewig so weitergehen. Eine „Weltgemeinschaft“ gibt es nicht und niemand wird Russland und die Ukraine so unter Druck setzen, dass die Verhandlungen weitergehen müssen. Auch von einem Waffenstillstand wollen weder die Russen, noch die Ukrainer etwas hören. Also – Krieg, bis die Waffen und das Geld ausgehen. Dass in der Ukraine weder Werte wie „Demokratie“ oder „Europa“ verteidigt werden, das sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Und daher ist es dringend erforderlich, dass sich der Westen gemeinsam Gedanken macht, was man eigentlich in der Ukraine für Optionen hat.

Dass die bisher verhängten Maßnahmen vor allem die ärmeren Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten hart treffen, ist ebenfalls eine Tatsache. Für die herrschenden Kasten haben weder Inflation, noch militärische Bedrohung konkrete Auswirkungen. Und bevor man sich nun tatsächlich in den III. Weltkrieg stürzt, wäre es vielleicht gar nicht so dumm, sich gemeinsam Gedanken darüber zu machen, wie die Situation wirklich aussieht und wie man mit ihr umgehen kann. Denn Krieg, so toll und heldenhaft ihn auch manche finden mögen, ist schreckliches, einsames, angstvolles Sterben. Nichts, was man wirklich toll finden kann.

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