„Schwere Momente kommen auf unser Land zu…“

Der französische Premierminister Jean Castex warnt seine Landsleute vor der „vierten Welle“, die bereits begonnen hat. Allerdings sind die getroffenen Maßnahmen sehr widersprüchlich.

Premierminister Jean Castex warnt vor der "vierten Welle" - doch die getroffenen Massnahmen sind widersprüchlich und kaum noch nachvollziehbar. Foto: Florian DAVID / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – In der Woche, die seit den Ankündigungen von Präsident Macron vergangen ist, hat sich etwas verändert. Nicht nur, dass der Widerstand gegen die beschlossenen Maßnahmen wächst, dazu ist die Anzahl Covid-Fälle in dieser einen Woche um 97 % gestiegen. Ganz klar – die vierte Welle hat begonnen. Doch während einerseits alles daran gesetzt wird, den Menschen einen fröhlichen Urlaub zu ermöglichen, werden auf der anderen Seite wieder die Schrauben angezogen. Heute, am 21. Juli 2021, wird der „Covid-Pass“ erweitert, was bedeutet, dass man ohne diesen Pass zahlreiche Orte und Einrichtungen nicht mehr betreten darf. Ab dem 1. August dann geht auch in Restaurants, Cafés und auf den Terrassen nichts mehr ohne „Covid-Pass“. Und irgendwie passt inzwischen überhaupt nichts mehr zusammen.

Die Vorstellung, man könne die Pandemie auf europäischer Ebene bekämpfen, die haben sich inzwischen wohl auch die größten Optimisten abgeschminkt. Sämtliche Regierungen haben sich stillschweigend darauf verständigt, die Pandemie auf nationaler Ebene und ohne Abstimmung mit den europäischen Partnern stemmen zu wollen, was leider per Definition nicht funktionieren kann. Einmal mehr setzt sich der Nationalismus gegen den gesunden Menschenverstand durch. Nationale Strategien könnten in einer Welt funktionieren, die nicht mobil ist, in der die Menschen nicht grenzüberschreitend leben, arbeiten, Handel treiben oder Urlaub machen. Doch das ist nicht der Fall. Wieso die Regierungen weiterhin darauf bestehen, eine Pandemie innerhalb der Landesgrenzen managen zu wollen, ist rätselhaft. Zumal sich diese Strategie seit anderthalb Jahren als ausgesprochen erfolglos darstellt.

Ab heute muss man also den Nachweis führen, dass man entweder doppelt geimpft ist, einen aktuellen PCR-Test besitzt oder innerhalb der letzten 6 Monate von einer Covid-Erkrankung genesen ist, um folgende Einrichtungen betreten zu dürfen: Theater, Kinos, Museen, Festzelte und ähnliche Strukturen, Sitzungs-, Konferenz- oder Meeting-Säle, Freizeitparks, Jahrmärkte (wenn diese aus mehr als 30 Ständen oder Attraktionen bestehen), Festivals, Konzertsäle, Sporthallen, Eisbahnen, Hallenbäder und Bibliotheken. Dabei ist erstaunlich, dass wenn man die Zutrittsbedingungen erfüllt, die Maskenpflicht in diesen geschlossenen Einrichtungen wegfällt, wobei bekannt ist, dass auch Geimpfte und Genesene weiterhin das Virus einfangen und weitergeben können. Da werden Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die sich in der Ausgestaltung dann selbst widersprechen. Und plötzlich versteht man, warum Jean Castex sagt, „dass schwere Zeiten auf Frankreich zukommen“.

Erstaunlicherweise fallen Gottesdienste nicht unter diese Regelung. Diese kann man weiterhin auch ohne „Covid-Pass“ besuchen. Glaubt man im laizistischen Frankreich etwa, dass religiöse Zusammenkünfte unter göttlichem Schutz stehen und sich die Menschen in einer Kirche nicht anstecken können? Die Inkonsequenz dieser Maßnahmen zeigt auf, warum auch nach anderthalb Jahren kaum Fortschritte erzielt werden.

Und wenn sich das Infektionsgeschehen so entwickelt, wie es abzusehen ist, nämlich mit einer heftigen „vierten Welle“, wie sie auch anderswo bereits tobt, sind auch die Schuldigen bereits ausgemacht – die Nicht-Geimpften. Castex hat Recht – schwere Zeiten kommen auf Frankreich zu. Immerhin, die Franzosen haben eine Gewissheit: Wenn sie die Pandemie UND diese Regierung überstehen, dann brauchen sie sich vor nichts mehr zu fürchten…

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