„Seht gefälligst zu, dass ich weiterregieren kann…“

Die erste TV-Ansprache des französischen Präsidenten nach den Wahlen hat vor allem eines gezeigt – er hat das Wahlergebnis vom letzten Sonntag noch nicht so ganz verstanden.

Für Emmanuel Macron scheint das Wahlergebnis vom Sonntag eine Art Majestäts-Beleidigung zu sein... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die erste TV-Ansprache von Emmanuel Macron nach der Stichwahl der Parlamentswahlen am letzten Sonntag war mit Spannung erwartet worden. Doch zeigte sich in seiner kurzen Rede, dass er mit dem Ergebnis, nämlich dem Verlust der absoluten Mehrheit, noch nicht viel anfangen kann. Offenbar hält er es für die Aufgabe des Parlaments dafür zu sorgen, dass er weiterhin „durchregieren“ kann, ohne dabei auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen.

Zwei Optionen zeigte Emmanuel Macron in seiner Ansprache auf: Entweder eine Regierungskoalition, oder aber die Suche nach Mehrheiten bei jedem Gesetzesvorhaben. Übersetzt bedeutet das, dass er entweder einen Partner findet, der den Erfüllungsgehilfen für Macron spielt, oder aber das Schreckgespenst der Demokratie, in der er sachbezogen Mehrheiten finden muss, eine Perspektive, die ihm nach fünf Jahren der neofeudalen Alleinherrschaft offensichtlich gegen den Strich geht.

Wie wenig er seine eigenen Landsleute versteht, zeigte sich in der Behauptung, er sei aufgrund „seines klaren Projekts“ vor vier Wochen für eine zweite Amtszeit als Präsident gewählt worden. Dass drei Viertel der Franzosen nicht für ihn gestimmt hatten und die meisten Wähler, die ihn gewählt haben, vor allem GEGEN die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen gestimmt hatten, scheint Macron noch nicht verinnerlicht zu haben. Fast trotzig sagte er, dass seine Partei „Ensemble!“ immerhin die stärkste Partei im Parlament sei. Das stimmt, doch ist es ein höchst seltenes Phänomen, dass die Franzosen einem frisch gewählten Präsidenten die absolute Mehrheit im Parlament verweigern. Offenbar traut sich keiner seiner Berater Macron zu sagen, wie die Stimmung im Land wirklich aussieht.

Einen Koalitionspartner zu finden, dürfte extrem schwierig werden. Keine der Parteien im Parlament wird den Erfüllungsgehilfen der „Macronie“ spielen, denn das wäre politischer Selbstmord. Nach fünf Jahren der permanenten Beleidigungen und Missachtung des politischen Gegners wird dieser in der neuen Situation sicher nicht seine politische Identität aufgeben, um Macron fünf weitere Jahre der Alleinherrschaft zu spendieren.

Bleibt die Option, themenbezogen Mehrheiten zu suchen. Doch die politische Debatte, der politische Kompromiss, die Suche nach einer Politik, die den Vorstellungen der Mehrheit seiner Landsleute entspricht, das ist nicht das Ding des Emmanuel Macron. Denn Emmanuel Macron will herrschen und nicht regieren und dieser Unterschied ist bedeutend. Doch das, was Macron so zuwider ist, nennt man allgemein „Demokratie“, ein Konzept, das dem Präsidenten in den letzten fünf Jahren sehr fern lag.

In seiner Ansprache wurde deutlich, dass er der Ansicht ist, dass es nun an den anderen Parteien im Parlament ist, den Karren aus dem Chaos zu ziehen. Doch diese Ansprache, mit der Macron zeigen wollte, dass er weiterhin die Zügel in der Hand hält, verriet vor allem eines: Er wurde von den französischen Wählerinnen und Wählern auf dem falschen Fuss erwischt und kommt mit dieser veränderten Situation nicht klar.

Die Reaktionen des politischen Frankreichs waren eindeutig – der Aufruf zur Koalition, also zur Sicherung der Alleinherrschaft Macrons, wird nicht befolgt werden. Die Parteien im Parlament werden ihre neu gewonnene Stärke nicht dafür einsetzen, den Franzosen fünf weitere Jahre mit „Jupiter“ als Alleinherrscher zuzumuten. Emmanuel Macron, der in den nächsten Tagen von Gipfel zu Gipfel hetzen wird, sollte mal bei seinen Kollegen beim EU-Gipfel und beim G7-Gipfel nachfragen, wie Demokratie so funktioniert. Denn genau das muss er jetzt schleunigst lernen.

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