Sehr national, ein wenig sozialistisch

Beim Parteitag der AfD in Augsburg wurde vieles deutlich – vor allem der Weg, den die alten Männer der AfD einzuschlagen gedenken. Und es wird Zeit, sich an die deutsche Geschichte zu erinnern.

National soll Deutschland wieder werden, und auch ein wenig sozialistisch. Politiker wie Alexander Gauland wollen die Geschichte wiederholen. Foto: ScS EJ

(KL) – Vielen Deutschen scheint nicht mehr geläufig zu sein, dass die Nationalsozialisten im letzten Jahrhundert nicht etwa durch einen Putsch an die Macht gekommen waren, sondern durch demokratische Wahlen. Und diesen Weg an die Macht scheint nun die AfD auch für das beginnende 21. Jahrhundert zu planen. Das Problem mit der AfD ist, dass es sich nicht etwa um stammelnde Vollidioten handelt, sondern um eiskalt berechnende Machtmenschen, die sich nicht scheuen, auch die Konzepte der Vergangenheit zu bemühen, um an die Macht zu kommen.

So hat vor allem der rechts von den Rechtextremen agierende Bernd Höcke erkannt, dass die AfD nur dann zur „Massenpartei“ werden kann, wenn sie sich stärker um soziale Themen kümmert. Verbrämt mit völkischen Parolen ist der sozialistische Ansatz nichts anderes als ein „Remake“ der deutschen Vergangenheit. Die Denkweise der AfD ist einfach: Was damals funktioniert hat, könnte heute wieder funktionieren. Und angesichts der Unzufriedenheit in der Bevölkerung könnte das sogar klappen.

Doch woher kommt diese Unzufriedenheit der Deutschen? Haben sie nicht genug zu essen, kein Dach über dem Kopf, beinahe Vollbeschäftigung? Was macht den Menschen denn so viel Angst, dass sie sich in die Arme der Nationalen und Sozialisten flüchten? Es ist der angstgetriebene Diskurs der alten Männer der AfD, alles voran Alexander Gauland und Jörg Meuthen, deren Ausdrucksweise dafür sorgt, dass sich geistig nicht so bewegliche Wählerinnen und Wähler angesprochen fühlen – sie fühlen sich subjektiv bedroht, da ihnen die alten Herren der AfD permanent einreden, sie wären bedroht.

„Wir holen uns unser Deutschland zurück“, konnte man in Augsburg hören, als habe uns jemand klammheimlich unser Land unter dem Hintern weggeklaut. Und geschickt präsentieren sich die 70+-Hoffnungsträger der AfD als junge, dynamische Alternative zu den „Altparteien“ (ein Begriff, den inzwischen alle AfDler verwenden) und diese haben nicht mehr zu bieten, als das übliche Rechts-Links-Spektakel, das in der Tat niemand mehr hören möchte.

National ist die AfD, keine Frage. Sie will Europa und vor allem Deutschland in eine Festung verwandeln und folgerichtig klatscht die AfD brav Beifall, wenn Europa beschließt, Konzentrationslager für Flüchtlinge einzurichten. Mit Begrifflichkeiten wie „Überfremdung“ wird der Eindruck erweckt, Deutschland sei praktisch in den Händen wildgewordener fremdländischer Horden und es müsse dringend gehandelt werden. Wie man mit diesen ausländischen Horden umgehen soll, zeigt das Beispiel der Rentendebatte. Aktuell liegen drei Rentenkonzepte auf dem Tisch, von dem eines abenteuerlicher ist als das andere. Während ein Vorschlag davon ausgeht, dass künftig deutsche Familien drei Kinder haben sollen („Schenk dem Staat ein Kind“?), sieht einer der beiden anderen Vorschläge vor, Deutsche bei der Rentenzahlung zu bevorzugen. Und zwar gegenüber ausländischen Arbeitnehmern, die genauso in die Rentenkassen eingezahlt haben wie die deutschen Kollegen. Damit nähert sich die AfD in erschreckender Weise einer Schwarzmalerei an, wie sie George Orwell in seinem „Animal Farm“ beschrieben hat: „Deutsch gut, nicht deutsch schlecht“. Und das Schlimmste ist, dass die AfD mit diesem Blödsinn immer mehr Stimmen erhält.

Wie wirr die alten Herren der AfD sind, zeigte sich auch in der Debatte um die Anerkennung einer parteinahen Stiftung. So wurde die Desiderius-Erasmus-Stiftung unter Leitung der einstigen Vertriebenen-Chefin Steinbach bestätigt, wobei seltsamerweise als Losung ausgegeben wurde, dass das „politische Endziel die Abschaffung der parteinahen Stiftungen“ sei. Um also die parteinahen Stiftungen abzuschaffen, ruft man eine parteinahe Stiftung ins Leben. Klar.

Die AfD ist mehr als ein Schmutzfleck im deutschen Bundestag. Die rechtsextremen Populisten erreichen immer mehr Menschen mit ihren kruden Ideen und Konzepten und dass diese Entwicklung überhaupt stattfinden kann, verdanken sie den „Altparteien“, die sich tatsächlich als unfähig erweisen, den Hassreden von rechtsaußen mehr entgegen zu stellen als ihre ewig gleiche Nabelschau. Bezeichnend für das politische Wochenende ist, dass sich selbst CDU und CSU gegenseitig zerfleischen, während die AfD mit nationalen und sozialistischen Phantasien punkten kann. Dass die CSU mit ihrem eigenen Ruck nach rechtsaußen nichts anderes macht, als diesen Phantasien auch noch Glaubwürdigkeit zu verleihen, wird sie bei der Landtagswahl in Bayern teuer bezahlen – sie wird jede Menge Wähler an die AfD verlieren, die letztlich lieber das rechtsextreme Original als eine lauwarme Kopie wählen werden.

Deutschland ist auf dem gleichen, verheerenden Weg wie so viele andere europäische Länder, in denen der identitäre Neonationalismus nicht nur hoffähig, sondern regierungsfähig geworden ist. Die Landtagswahlen in diesem Jahr, aber vor allem 2019, wenn in drei Ost-Bundesländern gewählt wird, können diese Tendenz bestätigen. Allerdings sollte man sich spätestens, wenn die AfD im Osten Deutschlands den ersten Ministerpräsidenten stellt, ernsthaft überlegen, in welchem Land man Asyl beantragen kann. Doch so, wie die Regierungen gerade die Asyl-Regelungen aushebeln, kann es gut sein, dass Deutsche in Afrika oder anderswo Asyl beantragen müssen. Hoffentlich behandeln uns unsere zukünftigen Aufnahmeländer besser als wie sie. Und wenn man den AfD-Parteitag noch einmal Revue passieren lässt, stellt man sich die Frage, wie erinnerungsresistent wir Deutschen eigentlich sind. Sind wir wirklich so dämlich, dass wir ein „Remake“ der deutschen Geschichte geschehen lassen?

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