Seltsames Timing

Zu einem Zeitpunkt, an dem die Weltbevölkerung Gesichtsmasken trägt, stimmen die Schweizer heute über ein Verbot von Gesichtsschleiern ab. Irgendwie ticken die Uhren in der Schweiz anders...

Man darf gespannt sein, wie unsere Nachbarn in der Schweiz heute abstimmen. Foto: https://egerkingerkomitee.ch

(KL) – Es ist schon das zweite Mal, dass die Schweizer über ein Gesetz abstimmen, mit dem angeblich über den „politischen Islam“ in der Schweiz entschieden werden soll. Nachdem vor einigen Jahren das „Egerkinger Komitee“ erfolgreich eine Initiative zum Verbot des Baus von Minaretten durchgeboxt hatte, geht es heute um das Verbot von Gesichtsschleiern, also Nikabs und andere Gesichtsverhüllungen, die bei einem Abstimmungssieg des „Ja“ unter Strafe gestellt werden. Zu einem Zeitpunkt, an dem das Nicht-Tragen von Gesichtsmasken eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist diese Abstimmung seltsam.

Unter dem Deckmantel des Kampfes für Frauenrechte wollen erzkonservative Eidgenossen den Islam in der Schweiz im Zaum halten. Dazu führten sie eine Kampagne, die ebenso populistisch war wie für das Verbot des Baus von Minaretten. Damals erzeugten die Träger der Initiative das Gefühl in der Bevölkerung, dass es an jeder Straßenecke in der Schweiz eine Moschee mit Minarett gab. Tatsächlich gab es zum Zeitpunkt der Abstimmung in der gesamten Schweiz vier (in Zahlen 4) Minarette. Ähnlich verhält es sich gerade mit der Anzahl Nikab-Trägerinnen in der Schweiz. Die Abstimmung betrifft gerade einmal zwischen 30 und 100 Frauen in der ganzen Schweiz, die eine solche Verschleierung tragen. Da drängt sich der Verdacht auf, dass diese neuerliche Initiative eher politischer Natur ist.

Die Initiative und die damit verbundene Abstimmung sind heuchlerisch. Denn am Finanzplatz Schweiz drückt man beide Augen zu, wenn betuchte Familien aus arabischen Herrscherfamilien ihre Kinder in der Schweiz erziehen lassen und rund um den Zürich-See mit allerhand dubiosen Stiftungen und Unternehmen Brückenköpfe für ihre politischen Aktionen organisieren. Wer Geld in der Schweiz liegen lässt, darf dort auch mehr oder weniger ungestört legalen, halb-legalen und illegalen Geschäften nachgehen.

Selbst die Gegner der Initiative, die mit Slogans wie „Extremismus stoppen! Verhüllungsverbot Ja“ am Start ist, führen seltsame Argumente ins Feld. So fürchten die Touristiker in den großen Tourismuszentren der Schweiz um ihre arabische Kundschaft, denn die Frauen im Tross der Ölprinzen tragen alle Vollverschleierung. Allerdings, und das ist die Sorge der Gegner dieser Gesetzesinitiative, tragen sie den Nikab auch, wenn sie bei den Juwelieren in Zürich, Zug und Genf horrende Summen auf den Tisch blättern. Falls das Verschleierungsverbot kommt, fürchtet man, dass sich die steinreichen arabischen Familien eben andere Urlaubsdomizile suchen.

Dass ausgerechnet am Vortag des „Internationalen Tags der Frauenrechte“ erzkonservative Identitäre mit Aussagen wie „Emanzipation statt Stoffgefängnis“ vorgeben Frauenpolitik zu mache, ist schon fast zynisch. Denn das Frauenbild der Verfechter dieser Initiative zielen nicht etwa auf die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ab, sondern vertreten das Frauenbild „Küche-Kinder-Kirche“.

Die Umfragen vor dieser Abstimmung sind denkbar knapp. Zuletzt lag das „Ja“ zwei bis drei Prozentpunkte vor dem „Nein“ und zwei bis drei Prozent entsprechen ungefähr der Ungenauigkeit solcher Umfragen. So wird es bis zum Sonntagsabend spannend bleiben. Und irgendwie ist die Vorstellung seltsam, wie heute die Schweizer mit Gesichtsmaske in die Wahllokale gehen, um darüber abzustimmen, ob man Gesichtsmasken verbietet oder nicht…

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