Sie finden den Weg alleine hinaus?…

Nein, genau das ist das Problem der Briten – sie schaffen nicht einmal ihren dämlichen „Brexit“ ohne die Hilfe der EU. Diese zeigt sich aber in weihnachtlicher Geschenklaune.

Seit viereinhalb Jahren wissen die Briten, dass sie aus der EU austreten wollen - aber zur Vorbreitung hat es nicht gereicht... Foto: ScS EJ

(KL) – Die Briten schulden dem Chefunterhändler der EU, dem Franzosen Michel Barnier, mindestens ein Denkmal. Denn ohne dessen Langmut und ohne seinen Willen, die Briten wenigstens nicht ungebremst an die Wand fahren zu lassen, stünden die Politclowns um Boris Johnson jetzt schon wirklich schlecht da. Ein anderer Verhandlungsführer hätte den Briten vermutlich schon längst die Tür vor der Nase zugeschlagen, aber Barnier blieb konsequent am Ball. Allerdings ist das als schöne Weihnachtsbescherung in Brüssel präsentierte Handelsabkommen noch lange nicht in trockenen Tüchern. Zumal noch niemand weiß, was wirklich darin steht.

So, nun können also alle schön Weihnachten feiern, in dem prächtigen Gefühl, den „Brexit“ geregelt zu haben. Boris Johnson kann seinen Landsleuten erzählen, dass er sich in Brüssel durchgesetzt habe und den feuchten Traum der früheren Größe des British Empire weiter befeuern, während die Europäer freudig verkünden können, man habe das Schlimmste verhindert. Also sind alle zufrieden. Aber was steht in diesem Abkommen, das immerhin mehrere Tausend Seiten dick ist? Das weiß momentan niemand und in vielen Ministerien in ganz Europa fluchen nun die parlamentarischen Mitarbeiter, die sich dieses Vertragsmonstrum über die Feiertage durchlesen und es kommentieren müssen. In 27 Ländern. Die Briten werden sich vor ihrer Parlamentsabstimmung zu diesem Vertrag kaum die Mühe machen, das Vertragswerk zu lesen, denn offensichtlich ist es ihnen seit viereinhalb Jahren egal, was aus ihrer Insel wird. Immerhin haben sie Boris Johnson auf Nachfrage einen Blankoscheck ausgestellt, das Vereinte Königreich auf immerdar zu ruinieren.

Der Vertrag, dessen Inhalt noch niemand kennt, muss also noch vom britischen Parlament und dem Europäischen Parlament angenommen werden. Mal nachdenken, wann das britische Parlament das letzte Mal sinnvoll abgestimmt hat. Das muss sehr lange her sein. Man weiß, dass viele der ultra-nationalistischen Tories jeden Vertrag ablehnen, da sie den „Hard Brexit“ wünschen. Wird Boris Johnson eine Mehrheit für den Vertrag bekommen? Und was ist mit den 27 EU-Mitgliedsstaaten, deren wissenschaftlichen und juristischen Diensten? Ob ein mehrere Tausend Seiten starkes Vertragswerk wohl die einstimmige Zustimmung von 27 Rechtsabteilungen erhalten wird? Ernsthaft?

Es ist niederschmetternd, dass die Briten nicht einmal ihren eigenen „Brexit“ auf die Reihe bekommen. Und ohne den französischen Goodwill am Nadelöhr Dover-Calais würde Großbritannien bereits vor dem eigentlichen „Brexit“ im Chaos versinken.

Nun also jubelt man in London und in Brüssel, während sich Schottland laut Regierungschefin Nicola Sturgeon auf das nächste Unabhängigkeits-Referendum und einen Mitgliedsantrag in die EU vorbereitet. Das Vereinte Königreich bröckelt bereits und trotz allen guten Willens der EU wird der britische Zusammenbruch, noch dazu mitten in der Corona-Pandemie, kaum zu verhindern sein.

Lassen wir also die EU-Oberen und die britischen Politclowns zu Weihnachten jubeln, dass man das Schlimmste verhindert habe. Doch das Thema „Brexit“ ist damit noch lange nicht durch. Wenn der Inhalt des Vertragswerks bekannt ist, werden die Diskussionen erst richtig losgehen. Das kommt eben dabei heraus, wenn man ultra-nationalistische Brunnenvergifter an die Macht wählt. Großbritannien schafft sich selber ab – Happy Christmas…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste