Sie regieren sich in den Abgrund hinein

CDU/CSU und SPD befinden sich in einem heftigen Dilemma. Machen sie zusammen weiter, wird ihre Talfahrt nicht enden, lösen sie die „Groko“ auf, drohen Verhältnisse wie in Thüringen.

2018 stimmten die SPD-Mitglieder noch für die "Groko" - und jetzt wollen alle am liebsten 'raus. Foto: Udo Brechtel / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Sie werden sich noch zu Tode regieren. CDU/CSU und SPD will und will der große Wurf in der großen Koalition einfach nicht gelingen. Und während die beiden früheren Volksparteien ihren Absturz nicht stoppen können, werden die Forderungen in den Parteien nach der Beendigung dieser für alle Beteiligten unseligen Koalition immer lauter. Doch was kommt dann?

Dass sich CDU/CSU und SPD gerade an der Frage der Grundrente entzweien, ist eher ein Zufall der Geschichte – es hätte im Grunde auch jedes andere Thema sein können. Da es sich um ein soziales Thema handelt, kann die SPD gar nicht anders, als endlich einmal klare Kante zu zeigen und Dinge zu fordern wie den Verzicht auf die Bedürftigkeitsprüfung. Und da die CDU/CSU ebenfalls klare Kante zeigen muss, ist sie strikt dagegen. Und schon bauen sich beide Seiten voreinander auf und geben den starken Mann (oder die starke Frau). Und drohen mit der Aufkündigung dieser Koalition, die, man erinnere sich, eigentlich niemand wollte, schon gar nicht die SPD.

Doch was würde eine Aufkündigung dieser „Groko“ tatsächlich bedeuten? Da es keine Option auf eine andere Koalition und auch nicht auf eine Minderheitsregierung gibt, würde es zwangsläufig zu Neuwahlen kommen. Und an dieser Stelle wird das Dilemma noch ein wenig größer. Denn auch, wenn man in den Berliner Parteizentralen immer noch nicht begriffen hat, warum man gerade implodiert, so kann man sowohl im Adenauer- als im Brandt-Haus Zahlen lesen. Und die sehen nicht gut aus für die beiden ehemaligen Volksparteien.

Die Sonntagsfrage löst Unbehagen aus. – Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Emnid käme die CDU momentan auf 27 %, die SPD auf 16 %, die Grünen auf 18 %, die AfD auf 15 % und Die Linke und die FDP auf jeweils 9 %. Das bedeutet, dass die „Groko“ so oder so Geschichte wäre, eine „linke“ Koalition aus SPD-Die Linke-Grüne ebenfalls keine Mehrheit hätte, die CDU auch als stärkste Partei keine Koalition bilden könnte (auch, wenn CDU/CSU-SPD-FDP eine knappe Mehrheit hätten – doch das wollte die FDP auch bereits 2017 nicht) und diese Konstellation liefe darauf hinaus, dass es zu noch brüchigeren Kooperationen zwischen Parteien kommen müsste, die sich eigentlich spinnefeind sind. Und da drohen Verhältnisse ähnlich denen in Thüringen, mit dem Unterschied, dass auf Bundesebene nicht einmal mehr die Option „CDU – Die Linke“ bestünde.

Da klar ist, dass CDU/CSU und SPD im Falle von Neuwahlen keine stabile Mehrheit zimmern könnten, wird ihnen nicht viel anderes übrigbleiben als weiterzumachen. Weder die Grünen, noch die FDP und auch nicht Die Linke werden den ehemaligen Volksparteien aus der Patsche helfen, zumal beide früheren Volksparteien mit zunehmender Dauer immer weiter absinken – warum sollten die „kleinen“ Parteien, die gerade mächtig Rückenwind haben, selbst das Risiko einer Beteiligung an einer höchst unbeliebten Koalition eingehen?

Wahlhelfer der AfD – Also kann man die Hahnenkämpfe um die Grundrente als Show für die Galerie betrachten – je lauter beide Seiten mit der Aufkündigung der „Groko“ drohen, desto wahrscheinlicher wird, dass sie gemeinsam bis zum bitteren Ende gehen, in der Hoffnung, bis zur nächsten Bundestagswahl möge noch ein Wunder geschehen. Bis dahin zerfleischen sich beide Parteien gegenseitig und sind auch dazu übergegangen, sich selbst zu verstümmeln. Und all das nutzt vor allem der einen Partei, die alle fürchten – der AfD. Denn je jämmerlicher das Spektakel ist, dass diese „Groko“ abgibt, desto mehr Zulauf werden die Extremisten haben. Die ihrerseits ganz entspannt zuschauen können, wie sich die traditionelle Parteienlandschaft als 1a-Wahlhelfer für die Extremisten aufführt.

Man kann es drehen und wenden, wie man will – Deutschland steuert auf eine politische Krise zu und, was das Ganze gefährlich macht, gleichzeitig auch auf eine Wirtschaftskrise, denn die Bundesrepublik kann weder die Auswirkungen des demographischen Wandels, noch diejenigen der internationalen Handelskriege in den Griff bekommen.

Wenn man sich historische Beispiele anschaut, ist das der Stoff, aus dem totalitäre Systeme gestrickt werden. Politische Instabilität plus Wirtschaftskrise gleich freie Bahn für Extremisten. Und diese Extremisten hocken schon lange nicht mehr in den Startlöchern, sondern sind bereits in die Parlamente eingezogen und zwar fast überall.

Angela Merkel hat eines von ihrem Ziehvater Helmut Kohl gelernt – das Aussitzen solcher Probleme. Nur dieses Mal spielt die Zeit nicht für, sondern gegen sie. Es ist, als habe man sich darauf verständigt, gemeinsam das politische Handtuch zu werfen und zuzuschauen, die die AfD immer gefährlicher nahe an die Macht rückt. Sie wollten immer schon wissen, wie sich 1933 der Faschismus in Deutschland breitmachen konnte? Dann schauen Sie jetzt genau hin, was in den nächsten zwei Jahren in Berlin passiert. Oder eben deutlich früher, wenn sich die Parteien auf ein Ende der „Groko“ und Neuwahlen einigen würden. Die Luft in Deutschland wird immer dünner…

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