“Single-Seat”-Kampagne für den Zweitwohnsitz

Die Steuerungskommission zur Ein-Sitz-Initiative für das Europa-Parlament schafft Klarheit: das EU-Parlament wird Straßburg aufgeben – je eher man das in Straßburg akzeptiert, desto besser für die Stadt.

Ob die "Baustelle Europa" in Straßburg fertiggestellt werden kann? Oder geht alles nach Brüssel? Foto: Michael Magercord

(Von Michael Magercord) – Nur wenige Stunden, nachdem am 22. Oktober die neue EU-Kommission ins Amt gewählt war, wurde auch schon eine nächste EU-Kommission der Presse vorgestellt. Sechs aufrechte und selbstgewisse Parlamentarier mit Sitz im Europaparlament haben sie ins Leben gerufen und sie wollen nur das eine: Einen einzigen Sitz. Nicht für sich, denn den haben sie schon und würden ihn sicher nicht mehr so gerne hergeben, sondern für das ganze Parlament.

Die neue und fast alle Fraktionen übergreifende Steuerungsgruppe für den Single Seat – so der offizielle Titel – soll dafür sorgen, dass die Europa-Abgeordneten, deren Mitarbeiter und ihre Akten nicht mehr allmonatlich zwischen Brüssel und Straßburg hin und her pendeln müssen. Arbeitsort und Sitzungsort sollen eins werden. Diesen Single Seat hatten vor einem knappen Jahr 75 Prozent der Parlamantarier in einer Mehrheitsentschließung eingefordert, und die Mitglieder der Steuerungsgruppe haben auch noch die Demoskopie und Rechnungslegung auf ihrer Seite: 80 Prozent der in ihrem Auftrag befragten Europäer lehnen den Doppelsitz ab und der EU-Rechnungshof bilanzierte im Juli die hohen Zusatzausgaben der Zweisitzigkeit.

Doch die Argumente gegen die Zweifachstruktur sind seit Jahren bekannt: Die Abgeordneten-Karawane verursache180 Millionen Euro Kosten und produziere 19.000 Tonnen heiße Luft – gemessen in CO2 – in jedem einzelnen Jahr ihrer Fortführung. Viel Neues war es nicht, was die sechs Steuermänner und –frauen Ende Oktober zu sagen hatten, wenn es auch noch einmal besonders charmant von zwei Jungparlamentarierinnen von den Liberalen und Sozialisten auf Spanisch und Italienisch vorgetragen wurde.

Zusammen mit den altgedienten Einsitzern um die Christdemokratin Anna Maria Corazza Bildt verwiesen sie zudem auf die politische Dimension, denn der Unmut der Bevölkerung gegen diese Verschwendung nähre den Euroskeptizismus. Der britische Tory Ashley Fox wurde gar historisch: War die Einrichtung des Parlamentssitzes in Straßburg nach dem 2. Weltkrieg und der Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland noch ein Symbol für den Erfolg der Europäischen Union, so sei Straßburg heute das Symbol für ihre Probleme. Ulrike Lunacek von den Grünen, gefragt nach den Alternativen für die Nutzung des gewaltigen Gebäudes, schränkte schließlich ein, die Steuerungsgruppe werde sich darauf konzentriere, den rechtlichen und politischen Weg raus aus Straßburg aufzuzeigen. Damit wurde wohl klar, dass entgegen früherer Beteuerungen, die Ein-Sitz-Initiative wolle die Frage, wo der sich befinden solle – Brüssel oder Straßburg – offen lassen, für diese sechs aufrechten Parlamentarier bereits entschieden ist. Und noch am selben Tag konnten sie einen weiteren Erfolg verbuchen: In dem vom Parlament verabschiedeten Budgetplan für 2015 wird aus Ersparnisgründen eine „roadmap to a Single Seat“ eingefordert.

Die Uhr tickt gegen Straßburg, und die Argumente, die noch von für den Parlamentssitz im Elsass ins Feld geführt werden, wabern zwischen Symbolismus und Beharrungsstarrsinn. Damit wird sich auf Dauer wohl wenig gegen die Selbstgewissheit der sich zu den wahren Volksvertretern erklärenden Kapitäne des Einsitzers ausrichten lassen. Besser wäre es den Schützengraben zu verlassen und sich nun so schnell wie möglich über alternative Nutzungen für den ungeliebten Bau an der Ill konkrete Gedanken zu machen.

Was könnte in seiner komplizierten Innenarchitektur angemessen Platz finden? Von einer europäischen Spitzenuniveristät ist schon länger die Rede, oder doch lieber ein gesamt-europäisches Arte-TV? Oder beides? Oder gleich mehrere private und öffentliche Einrichtungen darin unterbringen? Und wer weiß, vielleicht steht am Ende ein bessere Lösung als die derzeitige. Andererseits sollte man nicht vergessen, auf die Kosten hinzuweisen, die jede dieser Alternativen der Europäische Union verursachen würden. Die nämlich sind bislang in keiner Rechnung eingeschlossen – und schon fällt den Rädelsführern des Single Seats das eigene Argument in den Rücken. Man nennt dieses Doppelspiel übrigens Politik – und auf diesem Schlachtfeld stirbt die Hoffnung bekanntlich immer zuletzt, so oder so.

1 Kommentar zu “Single-Seat”-Kampagne für den Zweitwohnsitz

  1. Die bessere Lösung ist der BCE Hauptsitz in Strasbourg :) oder UK weg aus EU.

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  1. Unter süchtigen Mäusen | Eurojournalist(e)

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