So kriegt Europa die Kurve aber nicht…

Der Brüsseler Gipfel hat es gezeigt – die europäische Einheit ist Geschichte. Die politischen Führer Europas sehen tatenlos zu, wie sich Europa in einen Supermarkt verwandelt.

Statt für "europäische Werte" zu kämpfen, hat EU-Ratspräsident Donald Tusk diese einfach für abgeschafft erklärt. Foto: DonkeyHotey / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – So, jetzt wissen wir es. Europa ist also keine Wertegemeinschaft, sondern nach dem jüngsten Dekret der Viségrad-Staaten nur ein lockerer Binnenmarkt, der nebenher noch das eine oder andere Projekt durchführt, an dem sich die EU-Mitgliedsstaaten beteiligen können, wenn sie Lust haben. Oder eben auch nicht, wenn sie keine Lust haben. Was sich dann speziell in der Frage der Flüchtlinge zeigt, bei der das institutionelle Europa einfach kapituliert. Seltsam, dass von den europäischen Spitzen kein Aufschrei kam, kein klares Bekenntnis zu eben jenen europäischen Werten – und dann wundert man sich, dass dieses Europa immer unbeliebter wird?

Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei und Polen – diese vier Staaten, die zu den größten Nettokassierern der EU gehören und gerne die europäischen Subventionen einstreichen, haben eben einfach keine Lust auf gemeinsame Werte und auf Flüchtlinge schon gar nicht. Was kümmern die Viségrad-Staaten schon internationale Abkommen und europäische Entscheidungen – die Populisten in diesen Ländern zittern gemeinsam vor einer vermeintlichen muslemischen Invasion und geben sogar mehr Geld für fremdenfeindliche Kampagnen aus, als die Aufnahme der ihnen eigentlich zugewiesenen Flüchtlinge kosten würde.

Dass diese vier Länder die europäische Idee mit Füssen treten, ist eine Sache. Dass aber die europäische Führungsetage ebenso lethargisch zuschaut wie in der Vorbereitungsphase des Referendums über den „Brexit“, das stimmt nachdenklich. Offenbar hält es keiner der EU-Bosse für sinnvoll oder notwendig, für den Erhalt europäischer Werte zu kämpfen, sich für die Abkehr vom „Brexit“ stark zu machen, die Viségrad-Staaten mit Nachdruck zur Vernunft zu bringen. Die Idee eines europäischen Großen und Ganzen rückt täglich in weitere Ferne und fast hat man das Gefühl, als bestehe ein stillschweigender Konsens, die europäischen Länder eines nach dem anderen den Rechtsextremisten in die Hände zu treiben.

Die vier Viségrad-Staaten wollen keine Flüchtlinge aufnehmen? Weil sie keine Lust dazu haben? Dann sollten wir ab sofort keine Lust mehr haben, slowakische Infrastrukturprojekte zu finanzieren, ungarische Milchbauern zu subventionieren und Geld in den Kulturaustausch mit Polen und der Tschechischen Republik zu stecken. Das Geld könnten wir deutlich besser in die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen stecken, die wir aufgrund unserer sich aus den Genfer Konventionen ergebenden internationalen Verpflichtungen und aus moralischen Überlegungen aufnehmen müssen. Wenn sich schon ausgerechnet die Erzkatholiken in diesen vier Ländern nicht an ihre Christenpflicht der Nächstenliebe erinnern, dann sollte man eben die ihnen eigentlich zugedachten Gelder nutzen, und das gute Werk eben in ihrem Namen und an ihrer Stelle vollbringen.

Nur – wenn mittlerweile nicht mal mehr die Berufseuropäer für europäische Werte kämpfen, wenn allgemein akzeptiert wird, dass die Hauptaufgabe der EU ist, als Erfüllungsgehilfe für Lobbys und Big Business zu fungieren, dann darf man sich nicht wundern, wenn all diejenigen, die Europa am liebsten abschaffen würden, immer mehr Zulauf bekommen. Und das sind nun mal die Rechtspopulisten, für die momentan alle traditionellen Parteien arbeiten. Was macht ihr nur aus unserem Europa?!?

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