So toll ist der Brexit nun auch wieder nicht…

Trotz anders lautender Jubelmeldungen von der britischen Insel sehen die Realitäten etwas anders aus...

Staus, Wartezeiten, Formulare - der Handel zwischen der EU und der britischen Insel ist stark rückläufig. Foto: John Baker / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Bei den Brexit-Verhandlungen zwischen dem Vereinten Königreich und der EU ging es den Briten immer nur um ein Thema – ein neues Freihandelsabkommen, um weiterhin die Wohltaten des gemeinsamen Markts nutzen zu können, ohne aber selbst etwas zu diesem gemeinsamen Markt beizusteuern. Ergebnis: der Handel zwischen Großbritannien und der EU implodiert. Schuld daran sind die Formalitäten, auf deren Einrichtung London gepocht hatte.

Das klingt nach einem ziemlichen Eigentor. Im ersten Quartal 2021 ist der Handel zwischen der EU und Großbritannien um 23,1 % im Vergleich zu 2018 zurückgegangen. Das Jahr 2018 wird als Referenz betrachtet, da es das letzte Jahr war, das unter „normalen“ Bedingungen zu betrachten ist. Schuld an diesem Einbruch sind die unglaublich komplizierten Formalitäten, die den Handel in beide Richtungen lähmen. Jede Ein- und Ausfuhr muss inzwischen darauf geprüft werden, ob sie den EU-Standards entspricht, es gibt einen Wust an Formularen und da die Wartezeiten an den Grenzen derart lang geworden sind, verzichten inzwischen auch etliche Speditionen darauf, etwa frische Waren auf die Insel zu transportieren, da teilweise nicht mehr garantiert werden kann, dass die Waren auch noch in frischem Zustand ankommen.

Anders ist die Situation beim Handel mit Nicht-EU-Staaten – dieser ging im gleichen Zeitraum nur um 0,8 % zurück und damit rangieren die nicht-europäischen Handelspartner erstmals vor der EU. Ob die Briten mit dieser neuen „Freiheit“ wirklich glücklich werden?

Tatsache ist, dass die Briten ihren eigenen Brexit derart stümperhaft organisiert haben, dass sie jetzt Probleme haben, mit den Konsequenzen klar zu kommen. Viereinhalb Jahre hatten die wechselnden britischen Regierungen Zeit, den Brexit halbwegs professionell vorzubereiten und genau das haben sie nicht getan. Ob es nun um die irische Frage geht, den schottischen Wunsch nach Unabhängigkeit, Fischfangrechte, Handelsvereinbarungen – die Briten haben sich schlicht um nichts gekümmert, wie besoffen von ihrem neuen Nationalismus, blind auf ihren Politclown Boris Johnson vertrauend. Aber es ist rätselhaft, wie man sich in das Abenteuer Brexit stürzen kann, ohne diesen vorzubereiten. Hat Boris Johnson etwa damit gerechnet, dass die Europäer es schon richten werden?

Die EU kann sehr gut ohne die Handelsbeziehungen mit dem Vereinten Königreich leben. Der Brexit senkt zwar im Schnitt das BIP der EU-Mitgliedsstaaten zwischen 0,4 und 0,7 %, bedrohlich ist das allerdings für ein europäisches Land. Für die Briten sieht es dagegen schon anders aus. London muss sich nun auf weit entfernte Handelspartner einstellen, denen britische Befindlichkeiten ziemlich egal sein dürften, denn die Zeiten des Commonwealth, als die Briten die Hälfte der Weltbevölkerung herumkommandieren konnten, sind vorbei.

Muss man jetzt Mitleid mit den Briten haben? Nein, denn sie hatten ausreichend Gelegenheit, um a) den Brexit zu verhindern und b) den Brexit vorzubereiten. Beides haben sie nicht getan, sondern stattdessen „Britannia rules“ singend zugeschaut, wie die von ihnen bestätigten Regierungen das eigene Land zerfleddern. Doch all das hält die britische Regierung nicht davon ab, unglaublich zufrieden mit sich selbst zu sein. Aber irgendwann wird die Insel aufwachen und dieses Aufwachen wird nicht nur erfreulich sein…

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