„Sollen sie doch Kuchen essen…“

Ob Marie-Antoinette diesen Satz angesichts des Hungers der Pariser Bevölkerung kurz vor der Französischen Revolution wirklich gesagt hat, das wissen wir nicht. Aber wir sind schon wieder so weit…

Sind gesunde Lebensmittel nur Gutverdienenden vorbehalten? Foto: Walter57 / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) –Die Sozialverbände schlagen Alarm. Sich halbwegs gesund zu ernähren, wird für sozial schwächere Menschen schon bald nicht mehr möglich sein. Die Preise für Lebensmittel schießen gerade durch die Decke, was zum einen an heftigen Ernteausfällen liegt, zum anderen aber auch an der Lebensmittel-Spekulation, in deren Rahmen an der Börse in Chicago ganze Welternten für Getreide und anderes versteigert werden. Wenn man bedenkt, dass einerseits die Preise für Gemüse um 9 % steigen (für Lebensmittel allgemein 4,6 %), dann erkennt man, dass Armut in Deutschland zwangsläufig zu Mangelernährung, Krankheiten und einer kürzeren Lebenserwartung führt. Für eines der reichsten Länder der Welt ist dies ein Skandal.

Hartz IV-Empfänger sind von dieser Entwicklung natürlich besonders betroffen. Denn den fast 3,9 Millionen Hartz IV-Empfängern und deren Angehörigen stehen pro Tag ganze 5 € für die Ernährung zur Verfügung. Jemand, der 4000 € im Monat verdient, dem kann es relativ egal sein, ob die Tomaten nun 2,00 € oder 2,20 € kosten – für das Heer der Hartz IV-Empfänger allerdings nicht. Der Bruch, der sich zwischen Arm und Reich in einer der reichsten Industrienationen der Welt aufgetan hat, wird immer grösser.

Die Sozialverbände laufen Sturm gegen diese Entwicklung. „Obst und Gemüse dürfen nicht zum Luxus werden“, sagt wie frühere Paralympics-Siegerin Verena Bentele, die heute Chefin des VdK ist, während Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), vorschlägt, besonders ungesunde Lebensmittel mit einer Steuer von 29 % zu belegen, dafür aber im Gegenzug Obst und Gemüse ganz von der Mehrwertsteuer zu befreien, um diese erschwinglicher zu machen. Aber das werden die Lobbys schon zu verhindern wissen.

Erstaunlich ist, dass diejenigen Hartz IV-Empfänger, die am Sonntag wählen gehen werden, mehrheitlich für diejenigen stimmen werden, die ihre Situation nicht wirklich ernst nehmen. So ist die geplante Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes von gerade einmal 3 € fast schon Hohn, denn diese Erhöhung wird sich auf dem ohnehin schon kargen Einkaufszettel sozial schwacher Menschen kaum bemerkbar machen.

Man sieht deutlich, dass Armut in der deutschen Politik immer noch mit dem Etikett „selbst Schuld“ zugeklebt wird. So gibt es Stimmen aus der FDP, die selbst die minimale Hartz IV-Erhöhung ablehnen, dafür aber fordern, dass Empfänger der Grundsicherung in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Und das wiederum klingt nach „arbeitsscheues Pack, das wir nicht länger durchfüttern werden“.

Speziell in der aktuellen Krisenzeit rutschen Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen in die Armut. Dies als „Faulheit“ oder „Arbeitsscheu“ zu deklarieren, ist ein Zynismus, der zeigt, dass sich gut verdienende Politiker nicht vorstellen können, wie man in Armut lebt. Es wäre eine sinnvolle Übung, würden die neuen Bundestagsabgeordneten zu Beginn ihres Mandats vier Wochen in einer Berliner Sozialwohnung mit Hartz IV leben müssen, damit sie wissen, worüber sie sprechen und was sie entscheiden.

In der Zwischenzeit klingen die Aussagen aus der Politik tatsächlich ein wenig wie der Spruch, der Marie-Antoinette angedichtet wird. Hoffen wir mal für unsere Politiker, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal wie das von Marie-Antoinette vorbestimmt ist…

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