Sozial-Dumping macht krank

Seit Jahren werden zu Zustände in den deutschen Schlachthöfen kritisiert. Passiert ist nicht viel. Doch jetzt, wo sich fast täglich neue Virus-Cluster in den Schlachthöfen bilden, muss etwas geschehen.

Die Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeitern in Schlachthöfen sind zumeist katastrophal. Foto: dottorpen / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Erstaunt fragen sich momentan viele Menschen, wieso eigentlich Schlachthöfe besonders von der Cluster-Bildung des SARS-CoV-2 betroffen sind. Zwei Gründe muss man dafür nennen. Zum einen ist das Virus nach wie vor unterwegs und verbreitet sich, auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen und zweitens ist der Grund ein menschenverachtendes soziales Dumping-System, mit dem die deutsche Fleischindustrie viel Geld verdient und gleichzeitig für das Aus vieler Schlachthöfe im europäischen Ausland sorgt. Es ist höchste Zeit, dass gegen die schon lange bekannten Missstände in dieser Industrie vorgegangen wird.

Das Problem ist seit Jahren bekannt – viele große Schlachthöfe arbeiten fast ausschließlich mit Generalauftragnehmern, die ihrerseits Mitarbeiter aus den osteuropäischen Ländern engagieren. Diese unterschreiben dann „Werkverträge“ und treten gegenüber dem Generalauftragnehmer als „selbständige Unternehmer“ auf. In vielen Fällen wissen diese „selbständigen Unternehmer“ nicht einmal, was sie da an Verträgen unterschreiben, zumal diese in der Regel in juristischem Deutsch verfasst sind. Aber Hauptsache Arbeit!

In diesem System, in dem die „selbstständigen Unternehmer“ praktisch rechtlos Schichten von vielen, vielen Stunden bei Stundenlöhnen arbeiten müssen, die häufig im Bereich von 4 oder 5 € pro Stunde liegen, zahlt niemand mehr Sozialabgaben – weder der Schlachthof, noch der Generalunternehmer. Diese „selbständigen Unternehmer“ leben dann in Gruppenunterkünften, in denen oft 4 oder mehr Personen in einem Raum unter üblen hygienischen Bedingungen untergebracht sind und für die sie auch noch völlig überzogene Mieten zahlen müssen, die von ihrer „Unternehmer-Rechnung“ abgezogen werden.

In den letzten Tag mussten mehrere große Schlachthöfe vorübergehend geschlossen werden, da sich dort neue Coronavirus-Cluster gebildet hatten. Selbst in Groenlo in der grenznahen niederländischen Provinz Gelderland wurden nun 147 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet, was unter anderem daran liegt, dass 79 Mitarbeiter dieses Schlachthofs in einer Gruppenunterkunft in Deutschland leben.

Die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser „selbständigen Unternehmer“ sind der ideale Herd für die Bildung neuer Virus-Cluster. Einmal mehr zeigt sich, dass Armut zu Krankheit führt und angesichts der zahlreichen Fälle in Schlachthöfen und Fleisch verarbeitenden Betrieben kann man nicht mehr von Einzelfällen sprechen.

Mit Appellen ist es wohl nicht mehr getan und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits angekündigt, „aufräumen“ zu wollen. Man wird sehen, ob dieses seit Jahren bei den Behörden bekannte Sozial-Dumping in der Folge der Corona-Krise tatsächlich beendet wird und damit auch endlich wieder so etwas wie ein fairer europäischer Wettbewerb hergestellt werden kann.

Und die zweite Information, die diese Zwischenfälle in den Schlachthöfen aufzeigen, ist dass dieses Virus nach wie vor unterwegs ist und nur darauf wartet, in Umständen wie diesen Gruppenunterkünften zuzuschlagen. Selbst die Quarantäne wird nun problematisch, denn in solchen Gruppenunterkünften ist eine echte Isolierung der Erkrankten praktisch nicht möglich.

Man wird sehen, ob sich nach dieser sanitären Krise etwas in diesem Bereich ändert oder ob diese Art eines modernen „Sklavensystems“ weiterhin den Wettbewerb auf dem europäischen Fleischmark verzerrt. Es gibt viele gute Gründe, die dafür sprechen, diesem krank machenden Sozial-Dumping einen Riegel vorzuschieben.

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