Sozialer Sprengstoff

Die Inflation trifft sozial schwache Mitbürger zuerst – und das volle Breitseite. Die Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel ist teilweise spektakulär. Daraus entsteht eine explosive Gemengelage.

In vielen Ländern gehen die Menschen bereits auf die Strasse und fordern ein Deckeln der Energiepreise. Foto: Alisdare Hickson from Woolwich, United Kingdom / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Alle reden von der Inflation und von der sinkenden Kaufkraft, doch sollte man genauer hinschauen, was das tatsächlich für die Menschen bedeutet. Ausschlaggebend für diese Preissteigerungen ist natürlich der Ukraine-Krieg, der das wirtschaftliche Gleichgewicht, das ohnehin schon sehr wackelig war, vollends zerrüttet hat. Lieferketten sind unterbrochen, Rohmaterialien und Endprodukte sind plötzlich nicht mehr verfügbar und das Schlimmste ist, dass wir gerade erst am Anfang einer Entwicklung stehen, die das Potential hat, den sozialen Frieden nachhaltig zu erschüttern.

Dramatisch ist die Entwicklung der Energiepreise. Im Juni 2022 betrug die Preissteigerung im Vergleich zum Referenzmonat des Vorjahrs 38 %, was zur Folge haben wird, dass schon bald viele Haushalte ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen können. Auch der Benzinpreis steigt rasant weiter, im Vergleich zum Vorjahresmonat um 33,2 %, auch, wenn hier das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt die Teuerung etwas abfedern – im Mai betrug die Teuerung für Kraftstoffe 41 %. Doch die Entwicklung ist klar und wir haben nur Glück, dass das momentan sehr heiße Wetter dafür sorgt, dass weniger Energie verbraucht wird. Hätten wir einen nassen und kalten Sommer, sähe die Situation bereits anders aus.

Dazu steigen die Preise für Lebensmittel ebenso rasant an wie für Energie. Im Vergleich zum Referenzmonat des Vorjahrs sind die Lebensmittelpreise im Juni um 12,7 % gestiegen und das vor allem im Bereich der Grundnahrungsmittel. So kostet Brot 12,5 % mehr als im Vorjahresmonat, Milch und Eier 15,3 %, Fleisch rund 19 % und Öle, Butter und Margarine 43,1 % (!). Auch hier muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies nicht das Ende, sondern der Anfang einer Entwicklung ist, die per Definition als erstes die sozial schwächsten Mitbürger trifft.

Doch was werden die Menschen tun, wenn sie ab dem 25. des Monats nicht mehr wissen, wie sie ihre Familien ernähren sollen? Dazu steigen gerade auch die Zinsen, was für viele Menschen in der Mittelschicht dazu führen kann, dass auch sie in die Kategorie der sozial Schwachen abrutschen. All das bringt eine Gemengelage, die explosiv ist. Wenn die Menschen in ihrer Existenz bedroht sind, eventuell ihre Wohnung verlieren oder tatsächlich ihre Familien nicht mehr ernähren können, werden sie dann still und brav abwarten, dass die Krise vorübergeht? Oder werden sie auf die Straße gehen und versuchen sich das zu nehmen, was sie brauchen?

Momentan sieht man auf jeden Fall, dass der Ukraine-Krieg und die westlichen Sanktionen zuerst die sozial schwachen Schichten bei uns selbst treffen. Lange wird das nicht gutgehen und die richtig kritische Phase beginnt, wenn die Temperaturen sinken, mehr Energie benötigt wird und verschiedene Grundnahrungsmittel entweder nicht mehr verfügbar oder nicht mehr erschwinglich sind. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, und danach sieht es aus, läuft der Westen in eine Krise, wie er sie noch nie gekannt hat.

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