Soziales: Europa driftet immer weiter auseinander

Das soziale Gefälle zwischen den Ländern Nord- und Südeuropas wächst immer weiter. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt eine der größten Baustellen Europas auf.

Europa braucht heute mehr Solidarität mit seinen schwächsten Elementen, statt weiterhin nur Banken zu retten. Foto: Frank Vincentz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wenn man in den letzten Jahren in Europa versuchte, die Folgen der verschiedenen Krisen in den Griff zu bekommen, hat man immer an der falschen Stelle angesetzt. Nämlich ganz oben an der Wohlstands-Pyramide, bei den Banken. Die konnten zocken, Milliarden verlieren, Kunden falsch beraten – ihre Verluste wurden immer wieder von Europa aufgefangen. Begründung – diese Banken wären „systemrelevant“. Die Menschen in Europa sind das wohl leider nicht.

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung spricht eine klare Sprache. Während sich die europäische Wirtschaft ausgangs der Krisen langsam wieder stabilisiert und es verhaltene Anzeichen für einen Aufschwung gibt, ist das soziale Gefälle innerhalb Europas weiter gewachsen, was darauf hindeutet, dass Europa bei seinen Bemühungen, die Wirtschaft zu retten, die Schwächsten einfach zurücklässt und ausgrenzt. Die Studie verwendet sogar den Begriff der „sozialen Spaltung“, der einige Alarmglocken klingeln lassen müsste.

Für den Vorstand der Bertelsmann-Stiftung ist diese Entwicklung mehr als bedenklich. „Die wachsende soziale Kluft zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Generationen kann zu Spannungen und einem erheblichen Vertrauensverlust führen“, sagte Jörg Dräger. Und dies könne das gesamte Projekt der europäischen Integration nachhaltig gefährden.

Doch wird dieser Ruf ungehört verhallen – arme Europäer haben keine Lobby. Und jetzt, wo der Europawahlkampf vorbei ist, hat man auch schon lange nicht mehr den Begriff „Europa der Bürger“ gehört – solche Bonbons gibt es leider nur zu Wahlkampfzeiten. Danach ist es wieder das Europa der Finanzmärkte, das Europa der abgehalfterten nationalen Politiker, die in Brüssel ein warmes Plätzchen am Ofen vorfinden und das Europa der Großkonzerne, die ihre Interessen gerne durch Abkommen wie CETA und TTIP gesichert sehen wollen. Für den sozialen Ausgleich zwischen Nord- und Südeuropa und die Solidarität mit den schwächsten Elementen in Europa bleibt da kein Platz.

Genau an dieser Stelle irren sich übrigens die Europaskeptiker. Wer sich weigert, den sozialen Aufbau auch in Südeuropa mit zu tragen, der stellt sich selbst außerhalb der europäischen Wertegemeinschaft auf. Die von politischen Kräften wie der AfD geforderte Aufteilung in eine „reiche Euro-Zone“ und eine „arme Euro-Zone“ wird zu einem Auseinanderbrechen Europas führen, zu einer Rückkehr zu mehr Nationalstaatlichkeit, was in Zeiten einer globalisierten Welt genau die falsche Richtung ist.

Es wird Zeit, dass sich Europa auf seine eigentliche Berufung konzentriert – dafür zu sorgen, dass die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer ein vernünftiges, würdevolles, sicheres Leben führen können. Und das ist für sehr viele Europäer heute nicht der Fall. Hieran zu arbeiten ist perspektivisch wichtiger als dafür zu sorgen, dass Halbkriminelle in Armani-Anzügen weiterhin die Europäische Union ausbluten lassen können.

Die europäische Politik muss den sozialen Ausgleich zwischen Nord und Süd zu einem zentralen Thema machen – denn was hätte Europa davon, wenn die Menschen sich frustriert von dieser eigentlich großartigen Idee abwenden? Sie können die vollständige Studie lesen, wenn Sie HIER KLICKEN.

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