Sprachmelodie als Musiksprache – Bloch und Tschaikowsky

Am 13. und 14. Oktober werden die Straßburger Philharmoniker mit der Cello-Rhapsodie Schelomo von Ernest Bloch sich an ein Werk wagen, das die Sprachmelodik in reine Musik wandeln wollte – und zwar ganz ohne Worte. Und Romeo und Julia staunen nicht schlecht…

König Salomon, ein Thema, das sich durch die ganze Kulturgeschichte zieht... Foto: FA2010 / Wikimedia Commons / PD

(Michael Magercord) – Dass jede Sprache ihre eigene Tonalität und Melodie haben, ist wohl schon jedem aufgefallen, der auch nur einmal eine fremde Sprache vernommen hat – von ihrem Erlernen ganz zu schweigen. Dass Sprachen auch ihren ureigenen Rhythmus haben, lässt sich am besten an ihrer Dichtkunst nachvollziehen. Ob sie allerdings auch eine eigene Musiksprache haben, die sie auch ganz ohne Worte voneinander unterscheidbar machen kann? Einer Antwort auf diese Frage nähert sich das nächste Konzert der Straßburger Philharmonie am Donnerstag und Freitag dieser Woche.

Sprachen, wenn sie gesungen werden, haben ihre eigene Note. Es ist nun mal so: Englisch – das muss man wohl selbst als eingefleischter Sprachpurist zugeben – rockt am besten, Französisch näselt die coolsten Chansons, Russisch grummelt im Männerchor am tiefsten und Deutsch wagnert einfach am tiefsinnigsten. Was aber, wenn der Sprache die Worte fehlen? Wenn einzig die Musik die Sprache ist? Wie oft hört man Musik und meint sofort zu wissen, aus welchem kulturellen Umkreis so stammen mag: traditionelle Muster, vielleicht gar Versatzstücke aus alten Liedern oder bestimmte Instrumentierungen zeichnen Bekanntes nach. Gelingt das aber auch, wenn sich der Komponist einzig an dem Rhythmus und der Tonalität seiner Sprache hält?

Ernest Bloch, geboren 1880 in Genf, gilt neben Arthur Honegger als einer der bedeutendste schweizerischen Komponist seiner Zeit. Wie sein Landsmann hatte er seine Ausbildung in Paris erhalten. Musikalisch orientierte er sich an damaligen Größen Claude Debussy und Richard Strauss, doch sein eigentliches – eben auch musikalisches – Interesse galt der Sprache seiner Glaubensbrüder: dem Hebräischen. Um die Jahrhundertwende wandte er sich verstärkt dem Judentum zu, studierte alles, was dazu aus der Welt der Musik überliefert war: Lieder, Instrumente, Melodien aus dem Vorderen Orient und eben auch den Rhythmus des Hebräischen.

Obwohl er das traditionelle Material selbst nicht für seine Kompositionen verwendet hatte, schuf er viele bedeutende Werke, die ihren Bezug zur hebräischen Kultur nicht nur im Titel tragen. Bis 1916 entstanden große Orchesterwerke, darunter die Israel Symphonie und als Höhepunkt die Cello-Rhapsodie Schelomo über den König Salomo, das nun vom OPS mit dem Solisten Edgar Moreau aufgeführt werden wird.

Er arbeitete mit Vierteltönen und langen Melodielinien, die sich im übertragenden Sinne als melismatisch hören lassen, also als Tonfolgen, die sich, wenn es sich denn ein gesungenes Lied mit Worten handeln würde, über eine einzige Silbe hinweg erstrecken, womit auf einem Vokal dann mehrere Noten kommen. Auch seine Rhythmik gilt als eigen. In den USA, wohin Ernest Bloch schließlich 1940 endgültig übersiedelte, sprach man gar von einem speziellen “Scotch snap”, der in Musikerkreisen als „Blochian rhythm“ bezeichnet wurde.

Eingerahmt wird die Aufführung des Cello-Konzertes von zwei Werken eines Komponisten, der eindeutig einer kulturellen Herkunft zugeordnet werden kann: Tschaikowskys Ballett-Ouverture Romeo und Julia und die große 5. Symphonie des großen Russen runden den Konzertabend im Palais de la Musique et des Congrés ab – und die Frage, ob diese beiden Werke nun einzig und allein „russische“ sind und man sie deshalb nun in diesen Zeiten eigentlich nur mit Vorbehalt genießen dürfe, sollte uns nicht beschäftigen: Denn trotz der Macht der Sprache auf unser Denken, eröffnet uns die Musiksprache den Zugang zu einer kosmopolitischen Wahrnehmung unser aller Gefühlswelt.

Konzert der Straßburger Philharmonie OPS
Peter Iljitsch Tschaikowsky – Ouverture der Fantasie zu Romeo et Julia
Ernest Bloch – Schelomo, Hebräische Rhapsodie
Peter Iljitsch Tschaikowsky – 5. Symphonie

Dirigent: Aziz Shokhakimow
Solist: Edgar Moreau (Cello)

DO 13. und FR 14. Oktober, 20 Uhr
Palais de la Musique et des Congrès

Am Donnerstag wird das Konzert um 20 Uhr live auf medici.tv übertragen

Karten und Infos unter www.philharmonique.strasbourg.eu

Weitere Veranstaltung:
Kammerkonzert – Debussy und Messiaen (Quartett zum Ende der Zeit)
23. Oktober, 11 Uhr, CMD Musikhochschule Straßburg

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