Staatsbesuch im Elsass

Premierminister Jean Castex und mehrere seiner Ministerinnen und Minister schauten gestern im Elsass nach dem Rechten. Bei seinem Besuch sagte er den Elsässern das, was diese hören wollten.

Jean Castex in Colmar - "Die Proteste im Elsass sind legitim"... Foto: Courtesy Mathieu Cahn

(KL) – Das Elsass war gestern im Belagerungszustand. Nicht wegen eines Lockdowns, nicht wegen einer Ausgangssperre, sondern wegen eines Staatsbesuchs. Regierungschef Jean Castex gab sich die Ehre, begleitet von mehreren Ministerinnen und Ministern. Zunächst besuchte die illustre Reisegruppe aus Paris den Rat der neuen „Collectivité Européenne d’Alsace“ (CEA), dann kam Jean Castex nach Straßburg. Dabei äußerte Castex zwar viel Verständnis für die verschiedenen elsässischen Anliegen, machte aber kaum konkrete Zusagen. Dennoch dürfte die neue CEA durch diese demonstrative Unterstützung aus Paris Rückenwind erhalten.

Selbst die Ratsmitglieder staunten über die Sicherheitsvorkehrungen in Colmar – „auf dem Weg zum Sitz des Rats wurden wir fünfmal kontrolliert“, berichtet der Straßburger Rat Mathieu Cahn (PS). Fragen durften die Räte dem Regierungschef nach dessen Ansprache vor der CEA auch nicht stellen – nur eine pro Fraktion danach und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Aber das, was Castex auf die Ansprache von CEA-Präsident Frédéric Bierry antwortete, war durchaus überraschend.

„Wissen Sie, ich werde Ihnen etwas verraten“, sagte Castex, „ich war auch immer gegen diese großen Regionen.“ Castex ist der erste französische Regierungschef, der die elsässischen Klagen über die Gebietsreform von 2016 als „legitim“ bezeichnet und einräumt, dass die Neugliederung der Regionen damals, in deren Rahmen die „Region Elsass“ in der „Region Grand Est“ aufging, selbst „historische Hintergründe“ nicht berücksichtigt hatte. Castex kündigte massive Unterstützung für den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg an und forderte die Elsässer auf, jetzt erst einmal mit der neuen CEA Ergebnisse zu liefern, die neuen Kompetenzen in den Bereichen Straßen, Zweisprachigkeit, Tourismus und grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Leben zu füllen und Erfolge vorzuweisen. Und, natürlich, die Regierung fühlt sich dieser neuen gemeinsamen Departements-Verwaltung beider elsässischer Departements verpflichtet. Balsam auf die elsässische Seele.

In Straßburg dann schlug OB Jeanne Barseghian dem Regierungschef vor, dass dessen Chef Emmanuel Macron in den nächsten Wochen in die Europa-Hauptstadt kommen solle, um den neuen „Contrat Triennal“ zu unterzeichnen, der Straßburg nicht unbedeutende Budgets für den Unterhalt und die Präsenz der europäischen Institutionen in der Stadt garantiert. Dazu bot Jeanne Barseghian an, dass Straßburg ein Pilotprojekt zur schnelleren Öffnung kultureller Einrichtungen durchführen könne. „Die Leute drängeln sich in den Supermärkten, dürfen aber nicht ins Museum gehen“, erklärte Barseghian. Man wird bald hören, was man in Paris von dieser Idee hält. In Paris denkt man allerdings momentan eher über den nächsten, scharfen Lockdown als über die Öffnung von Kulturangeboten nach.

Als erste Maßnahme kündigte Castex an, dass er die Präfektin Josianne Chevalier angewiesen habe, ein Konzept zu entwickeln, mit dem im Gebiet der CEA die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt werden kann. Hier wird man jetzt abwarten müssen, was die Präfektur vorlegt.

Für die CEA war der Besuch der Ministerriege dennoch ein gutes Zeichen, ebenso für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die seit einem Jahr im Argen liegt. Frédéric Bierry hatte bei der Sitzung der CEA explizit auf die grenzüberschreitende Dimension dieser neuen Struktur hingewiesen und die Unterstützung seitens Paris ist damit gleichzeitig eine Unterstützung der institutionellen Existenz des Elsass, aber auch der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, sobald diese wieder konkret möglich wird.

Viel Konkreteres war von Jean Castex Besuch auch nicht zu erwarten. Es ging auch gar nicht so sehr um konkrete Dinge, als vielmehr die Botschaft ans Elsass, dass man die Entwicklung am Oberrhein in Paris wohlwollend verfolgt. Diese freundlichen Erklärungen in konkrete Handlungen und greifbare Projekte zu übersetzen, mit denen in einer schwierigen Zeit das Leben der Menschen verbessert wird, das ist nun die Aufgabe der CEA.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste