Stärke zeigen oder sinnlose Provokation?

Noch läuft der umstrittene Taiwan-Besuch einer zweiten amerikanischen Delegation, da starten die USA mit Südkorea ein 11tägiges Militärmanöver. Als wolle man ganz Asien aufmischen.

Auch südkoreanische Soldaten werden auf den Einsatz vorbereitet. Foto: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 1st Class Kirk Worley / Wikimedia Commons / Public Domain

(KL) – Selbst in Seoul sieht man das nun gestartete Militärmanöver, das man gemeinsam mit den USA zum „Training der Verteidigungsbereitschaft“ organisiert, mit kritischen Augen und fürchtet eine „Reaktion“ seitens Nordkoreas. Dort betrachtet man dieses Manöver mit ganz anderen Augen und letztlich zielt die wiederholte amerikanische Provokation auf ein Land ab, das man gerne schwächen würde, indem man die ganze Region destabilisiert – China. Aber wie viele Brandherde wollen die Amerikaner noch entfachen?

„Ulchi Freedom Shield“, so der Name des bis zum 1. September laufenden Manövers, kommt zur Unzeit. Die Welt befindet sich im Kriegszustand und jedes neue Feuer, das gelegt wird, könnte die letzten Dämme brechen lassen. Dabei war es in den letzten Jahren sogar möglich, Manöver ganz abzusagen, um diplomatische Wege nach Nordkorea zu öffnen, oder zumindest Teile dieser Manöver aus diesen Gründen ausfallen zu lassen. Doch 2022 ziehen die USA mit Südkorea das volle Programm durch, erneut vor der Haustür Chinas, mit dem offensichtlichen Ziel, gegenüber Peking Stärke zu demonstrieren.

Doch dieses Armdrücken mit China wird den USA nicht viel bringen, dafür aber relativ schwer zu berechnende Reaktionen in China und vor allem, des höchst exzentrischen nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un provozieren. Dabei hat die Welt in eigentlichen und im übertragenen Sinn bereits längst den Finger am Abzug und es wäre ein ganz anderes Signal gewesen, hätten die USA und/oder Südkorea diese Manöver abgesagt. Das hätte niemand als „Schwäche“ interpretiert, sondern als diplomatisches Fingerspitzengefühl. Doch das hat seit der russischen Invasion in der Ukraine Platz für eine allgemeine Hau-drauf-Mentalität gemacht.

Zwar haben die USA in Südkorea rund 28.000 Soldaten stationiert und schützen damit nicht nur Südkorea, sondern vor allem ihre eigenen Interessen im Pazifikraum, doch zu glauben, dass es die US-Marines militärisch mit der chinesischen Armee aufnehmen können, ist illusorisch. Damit werden auch die wiederholten Prokokationen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping schwer nachzuvollziehen. Niemand kann es sich leisten, neben dem schier unlösbaren Krieg in der Ukraine weitere Konfliktherde zu eröffnen.

Schade, dass man zu den Vorgängen in Asien so wenig aus Europa hört. Nach wie vor betrachten wir uns als eine Art verlängerter Arm der USA und werden nur dann aktiv, wenn man es uns sagt. Doch muss unser Blick auch auf die USA kritischer werden, denn die USA verteidigen nicht etwa unsere „Werte“, sondern ausnahmslos ihre eigenen Interessen, ob diese nun wirtschaftlich, geopolitisch oder ideologisch ausgerichtet sind. Doch kann es sich Europa in der aktuellen Situation zwischen einem blutigen Krieg vor der Haustür und der Pandemie nicht leisten, von den USA zu Unterstützung neuer Konflikte in Asien gerufen zu werden.

Momentan braucht die Welt Diplomatie, Diplomatie und Diplomatie. Die Kriegstrommeln zu rühren ist in dieser hochexplosiven Lage mehr als verantwortungslos. Es gibt auch amerikanische Handlungsweisen, von denen sich Europa durchaus einmal distanzieren könnte. Das Aufmischen des asiatischen Raums durch die USA gehört dazu.

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