Stolpert Frankreich aus der Demokratie hinaus?

Bereits zum sechsten Mal nutzt Regierungschefin Elisabeth Borne den berühmten Paragraphen 49.3 und beschließt den Haushalt für die Sozialversicherung ohne Abstimmung im Parlament.

Regieren macht Frau Borne Freude. Vor allem ohne das lästige Parlament. Foto: Jacques Paquier / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Wofür lässt man ein Volk ein Parlament wählen, wenn man wichtige Entscheidungen trifft, ohne dass das Parlament abstimmen darf? Dies wird nun in Frankreich zur Standard-Prozedur, das Regierungschefin Elisabeth Borne so begründet: „Wir können nicht ewig die gleichen Diskussionen führen.“ Nur – genau diese Diskussionen im Parlament zu führen, das zeichnet eine Demokratie aus. Politik ohne das Parlament zu führen, das ist eine Autokratie.

Daran wird man sich in Frankreich gewöhnen müssen – bei wichtigen Entscheidungen wird das Parlament erst gar nicht mehr konsultiert, zieht die Regierung § 49.3, mit dem das Parlament ausgeschaltet wird, die Opposition reicht einen Mißtrauensantrag ein, der systematisch abgelehnt wird, da die konservativen „Les Républicains“ weiterhin die Regierung stützen, um Neuwahlen zu vermeiden und genau so wird es die nächsten Jahre weitergehen. Hin und her.

Dass dies den Vertrauensverlust in die Politik immer weiter vertieft, das nimmt man in Paris nicht wahr. Dass die demokratischen Parteien damit den Extremisten den Weg an die Macht öffnen, das nimmt man in Paris nicht wahr. Dass die V. Französische Republik zu einer Demokratie-Farce verkommt, auch das nimmt man in Paris nicht wahr. Und das wird immer beunruhigender.

Eine politische Debatte auch mit der Opposition zu führen, das ist ein Konzept, das man in Frankreich ebenso wenig kennt wie Koalitionen. Doch ohne eine politische Debatte und vor allem, mit Entscheidungen ohne Anhörung und Abstimmung im Parlament, hebelt man das Konzept der Demokratie aus. Aber das mag niemand laut sagen, da sich Frankreich nach wie vor für eine Vorzeige-Demokratie hält.

Man sollte auf die Länder zu schauen, in denen sich gerade Rechtsextreme an die Regierung geschlichen haben. Denn das erwartet Frankreich nun auch. Die so genannten demokratischen Parteien haben das demokratische System derart ad absurdum geführt, dass es die Spatzen von den Dächern pfeifen – der nächste französische Präsident kann aus dem rechtsextremen Lager kommen. Schuld daran sind diejenigen, die diese französische Demokratie so herabgewirtschaftet haben. Die Auswirkungen dieser Haltung wird man in ein paar Jahren erkennen. Doch dann wird es vielleicht zu spät sein, die Demokratie zu retten.

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