Stoppt den Erdogan-Export!

Die Auftritte türkischer Spitzenpolitiker in Deutschland werden immer wieder zu Propagandaveranstaltungen der AKP von Erdogan – man sollte sie verbieten.

Muss die Türkei ihre Verletzungen der Menschenrechte nach Europa exportieren? Foto: AteshCommons / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es gibt Dinge, die sind nach unserem Demokratieverständnis nicht verhandelbar. Dazu gehört, unter anderem, die Pressefreiheit. Wenn nun bei Propagandaveranstaltungen türkischer Spitzenpolitiker in Deutschland diese Grundwerte außer Kraft gesetzt werden, indem Journalisten der Zugang zu diesen Veranstaltungen verwehrt wird, während gleichzeitig der Korrepondent der DIE WELT in der Türkei inhaftiert ist, dann ist ein Punkt erreicht, an dem man die Ausbreitung des türkischen Regimes in die Diaspora stoppen sollte. Zum Beispiel, indem man diese Veranstaltungen verbietet.

Natürlich ist die Trennlinie zwischen Meinungsfreiheit und Verletzung demokratischer Werte nicht immer leicht auszumachen. So darf der türkische Ministerpräsident Yildirim natürlich wie in Oberhausen am Wochenende die Meinung vertreten, dass Deutschland nichts gegen in Deutschland lebende Kurden und Anhänger der Gülen-Bewegung unternimmt. Da hat er sogar Recht – denn diese Gruppierungen werden in Deutschland nicht wie in der Türkei als „Terrororganisationen“ betrachtet. In Deutschland gelangt man immer mehr zu der Auffassung, dass nicht die Kurden und Gülen-Anhänger die Terroristen sind, die eine Gefahr für die Türkei und die ganze Region darstellen, sondern das Erdogan-Regime, das in etwas mehr als einem halben Jahr die wichtigsten Menschenrechte außer Kraft gesetzt hat und nun kurz davor steht, eine Art „Ermächtigungsgesetz“ per Volksabstimmung zu verabschieden. Allerdings darf er nicht dazu auffordern, die genannten Gruppierungen zu verfolgen und – er sollte sich besser nicht an der Pressefreiheit vergreifen, die in unseren Breitengraden als wichtiger Pfeiler der Demokratie verstanden wird.

Die Pressefreiheit wurde in der Türkei abgeschafft. Seit dem „Putsch“, von dem immer noch viele Beobachter glauben, dass Erdogan und seine Leute ihn selbst inszeniert haben, wurden mehr als 100 Medien geschlossen und zahlreiche Journalisten, Autoren, Künstler inhaftiert. Ihr „Verbrechen“ besteht darin, eine andere Meinung zu vertreten als diejenige von Erdogan. Das ist schlimm und wir haben wenig Möglichkeiten, auf Erdogan einzuwirken, damit sich dieser unhaltbare Zustand ändert.

Allerdings müssen wir nicht ertragen, dass diese Verletzungen von Grundrechten auch in unsere Länder getragen werden. Gewiss, die fadenscheinig vorgeschobene Begründung, warum ein Journalist der TAZ in Oberhausen trotz Akkreditierung nicht zur Yildirim-Veranstaltung Zutritt fand, ist rechtlich in Ordnung. „Der Saal war zu voll, aus Sicherheitsgründen wurden dem Journalisten der Zutritt verweigert“, so die halbherzig vorgetragene Rechtfertigung der Organisatoren des AKP-Meetings. Worauf man eigentlich auch hätte reagieren können – wenn die Anwesenheit eines einzigen Journalisten eine Gefahr für die Veranstaltung dargestellt hat, dann hätte man die Veranstaltung von der Polizei genau an dieser Stelle abbrechen lassen können. Aus Sicherheitsgründen.

Die AKP von Erdogan versucht natürlich, die in den europäischen Ländern lebenden Türken, die mehrheitlich für die AKP stimmen, zu einem „Ja“ zu seinem „Ermächtigungsgesetz“ zu bewegen. Aber müssen wir ihm dafür eine Tribüne zur Verfügung stellen? Oder ist das Rechtsgut unserer Grundwerte nicht mindestens ebenso schützenswert wie das Recht auf Meinungsäußerung türkischer Spitzenpolitiker, die nach Deutschland kommen, um den innertürkischen Konflikt auch ins Ausland zu tragen und die dort lebenden Türken gegen Kurden und Gülen-Anhänger aufzuhetzen?

Ab sofort sollte man sich gut überlegen, wem man es gestattet, solche Propaganda- und Hassveranstaltungen durchzuführen. Solange nicht sichergestellt ist, dass solche Veranstaltungen nach den bei uns geltenden Spielregeln stattfinden, sollte man sie – nicht genehmigen.

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