Straßburg, dein Spitzensport – Racing und SIG in der Krise?

Racing Strasbourg am Tabellenende in der teuflischen zweiten Saison in der obersten Fußball-Liga, SIG Strasbourg scheint gar der Leibhaftige den Korb zu versperren – und dann planen beide Vereine auch noch den großzügigen Aus- und Neubau ihrer Sportstätten.

Racings Fußballer im Abstiegsstress, SIGs Basketballer mit dem Rücken zum Korb... Foto: Racing Strasbourg / SIG / Michael Magercord

(Von Michael Magercord) – Geld ist nicht alles. Die vergangene Spielzeit 2018/19 der Basketballer von SIG Strasbourg war schon schwierig. Man hatte zwar das dritthöchste Budget in der Liga und endete aber bloß als Sechster, in dem Jahr zuvor wurde man noch Play-Off-Finalist mit einem achten Platz im Budget-Ranking. “Es ist halt immer noch Sport”, sagte Trainer Vincent Collet zur Saison-Bilanz, “und im Sport kann alles passieren”.

Nun ist das Budget von SIG für die laufende Spielzeit wieder etwas geschrumpft – allerdings auch der sportliche Erfolg. Eine fast völlig neu formierte Mannschaft konnte bisher in sechs Ligaspielen erst einen Sieg einfahren. Ergebnis: Tabellenvorletzter – wenn nicht bald was passiert und aus der Truppe eine Mannschaft wird…

Basketball in Europa hat ein Problem: Es herrscht keine Kontinuität in den Mannschaften. Hohe Fluktuation der US-Boys innerhalb Europas oder – wenn möglich – zurück nach Nordamerika, aber auch die Praxis so mancher NBA-Spieler, ihr Altersteil mit einem letzten, gutdotierten Vertrag in Übersee zu absolvieren, lässt kaum Identifikationsfiguren in den Vereinen reifen. In der deutschen Bundesliga ist bereits ein Zuschauerrückgang zu verzeichnen: zehn Prozent Einbuße über die vergangenen fünf Jahre. Selbst bei den Korbkünstlern des FC Bayern bliebt ein Fünftel der Plätze leer. Was tun? In Deutschland wird – wie so oft – die Flucht nach vorn angetreten: Wachstum durch neue Multifunktionsarenen heißt die Zauberformel, auch der FC Bayern plant für 2021 den Umzug in eine brandneue und natürlich noch größere Arena.

Genau das plant auch SIG Strasbourg seit fünf Jahren, eine Arena mit 8.000 statt bisher 6.000 Plätzen. Die Pläne stehen, der Name und Sponsor ist gefunden, ein Bauplatz gleich neben der jetzigen Spielstätte in Wacken auch. Vier Banken stehen bereit, eine gute Hälfte der 40 Millionen Euro Kosten für die neue Arena mit Ladengeschäften dem Verein zu leihen. Ausstehen tut die Beteiligung der Region, Departement und Stadt, die sich auf 17 Millionen Euro beliefe. Am vergangenen Freitag tagte der Stadtrat, um sich die Argumente für des Vereins für einen kommunalen Zuschuss von über 3 Millionen Euro anzuhören, eine Entscheidung soll noch im November getroffen werden und damit das Projekt entweder stehen oder fallen.

Eigentlich wollte der Verein schon lange starten, und vor allem: Der Verein wollte alles selbst schultern, ohne Zuwendung aus der öffentlichen Hand. Da der SIG Strasbourg nun einmal nicht zu den großen Clubs mit einer Fußballsparte gehört oder einen einzigen gewichtigen Sponsor hat, sollte das Geld von etlichen regionalen Partnern aufgebracht werden. Das klappte für die Baukosten, doch die anfallenden Grundsteuern wären nur noch mit einer Zuwendung des Steuerzahlers auszugleichen. Auch wenn man es kaum glauben kann, wenn man die öffentliche Bauwut im Straßburg der letzten Jahre – Stichwort Theater Maillon (25 Millionen Euro) – beschaut: das Geld sitzt scheinbar nicht mehr ganz so locker. Zumal bereits beschlossen wurde, das Fußballstadion von Racing Strasbourg in der Meinau für 100 Millionen Euro zu renovieren und um gut 6.000 auf fast 33.000 Plätze zu erweitern, wovon die Stadt 12,5 Millionen beisteuert. Die Kritik aus der Politik an den Plänen von SIG entzündet sich auch an der angestrebten Multifunktionalität der neuen Arena: Der Steuerzahler sollte nicht Infrastruktur finanzieren, in der letztlich private Ladengeschäfte betrieben und kommerzielle Kongresse abgehalten werden.

Summen über Unsummen – ist Geld also doch alles? All die schönen Planungen der beiden Sportvereine stammen aus Zeiten, als sie sportlich bestens dastanden. Doch jetzt das: Racing steckt in seiner zweiten Erstligasaison trotz eines Heimsieges am letzten Samstag gegen Nizza mitten im Abstiegskampf. Ist es ein Trost zu wissen, dass die zweite Saison nach einem Aufstieg immer die schwerste ist? Noch jedenfalls ist der Zuschauerzuspruch ungebrochen. Der Torwart Mats Sels zeigt sich in der Oktoberausgabe der Zeitschrift Alsa’Sports beeindruckt: Selbst bei öden Spielen ist die Bude voll und die Fans sind aus dem Häuschen. Allerdings sind viele Stadien in Frankreich nur selten ausverkauft und so schiebt er eine Warnung hinterher: Man baut kein Stadion für 40.000, wenn dann nur 15.000 Zuschauer kommen – wie wohl in seinem Heimatland Belgien.

Die Vereine und insbesondere die öffentlichen Geldgeber und politischen Entscheidungsträger stehen vor tiefgreifenden Fragen: Brot sowieso und Spiele gerne auch, aber zu welchen und zu wessen Kosten? Was tun mit all der Infrastruktur, die nur alle paar Tage einmal genutzt wird? Vor allem, wenn der Bau oder die Erweiterung von Sportstätten in Zeiten der sportlichen Misserfolge betrieben wird – ist der Fluchtweg nach vorn wirklich immer der klügste? Oder langfristig einfach bloß der teuerste? Letztlich berühren diese Entscheidungen die Grundfrage, der sich früher oder später alle Industrie-, Produktions- und Konsumgesellschaften stellen müssen: Ist nicht nur Weniger das Mehr von morgen, sondern manchmal kleiner eben doch auch größer?

Gemach, jetzt sind erst einmal wieder die Sportler am Zug, und die Basketballer von SIG Strasbourg spielen am Dienstag in der Champions League gegen den katalanischen Vertreter Baxi Manresa – ausgerechnet eine Mannschaft, die sich in ähnlichen Lage befindet, wie SIG und Racing Strasbourg zusammen. Wie Racing nämlich war sie in die erste spanische Basketballliga aufgestiegen, hatte dort eine erstaunlich passable Spielzeit hinlegt und kämpft nun in der zweiten Saison mit großen Schwierigkeiten. Und ähnlich wie SIG verlieren sie zwar in der heimischen Liga, konnten aber immerhin ihre Heimspiele in der Champions League gewinnen.

Auch die Straßburger Basketballer gewannen ihr erstes internationales Heimspiel gegen Oostende, aber auswärts in Polen gegen Thorn gingen sie wieder unter, obwohl die Spieler von SIG der Papierform nach – soll heißen: dem Vereinsbudget entsprechend – weit höher eingeschätzt wird. Jetzt folgen mit Manresa am Dienstag und eine Woche später gegen Holon aus Israel zwei internationale Heimspiele aufeinander – und es gibt immer noch Hoffung auf Besserung, denn im Sport kann ja bekanntlich alles passieren, selbst, dass aus Einzelkönnern doch noch eine Mannschaft wird.

SIG Strasbourg – Baxi Manresa
DI 29. Oktober, 20.30 Uhr
Rhenushalle, Wacken

Weitere Heimspiele im November:
SA 2. November, 20 Uhr: Elan Bearnais (Liga)
DI 6. November, 20.30 Uhr: UNET Holon (BLC)
SA 16. November, 20 Uhr: Elan Chalon (Liga)
DI 20. November, 20.30 Uhr: Lietkabelis (BLC)

Informationen und Tickets:
www.sigstrasbourg.fr

Racing Strasbourg – Nimes
SA 9. November, 20 Uhr
Meinau Stadion

Weiteres Heimspiel im November:
SA 30. November, 20 Uhr: Lyon

Informationen und Tickets:
www.rcstrasbourgalsace.fr

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