Straßburg könnte zum neuen Zentrum Europas werden

Der Europaabgeordnete Arne Gericke kämpft schon länger für den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg. Ein mutiger Kampf.

Arne Gericke kämpft für den Sitz des Europäischen Parlaments in Strassburg. Foto: Familienpartei Deutschland

(KL) – Für Arne Gericke ist die Frage des Sitzes des Europäischen Parlaments eine grundsätzliche Frage nach Demokratie und politischen Inhalten. Doch das scheint nicht für alle und jeden der Fall zu sein. Interview.

Arne Gericke, momentan sprechen alle von einem angeblich geplanten „Tausch“ – Straßburg soll Sitz der Europäischen Medikamentenagentur werden, die sich bislang in London befand, dafür soll angeblich das Europäische Parlament ganz nach Brüssel umziehen. Haben Sie nähere Informationen, woher diese Information stammt?

Arne Gericke: Das können wir auch nicht genau überprüfen, aber klar ist, dass Straßburg gerade Gegenstand zahlreicher Angriffe ist. Zwar steht Strassburg als Sitz des Parlaments in den Europäischen Verträgen, doch meinen einige, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für solche Angriffe auf den Parlamentssitz Straßburg sei. War bislang das Hauptargument, dass Brüssel für die britischen Abgeordneten besser erreichbar ist, so wird dieses Argument mit dem Brexit hinfällig.

Und offenbar geht es nicht um die europäische Demokratie – denn es kann nicht sein, dass sich der Europäische Rat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament konzentriert in Brüssel befinden. Der Sitz in Straßburg ist nicht nur optimal, sondern auch in den Verträgen festgelegt. Daher ist ein „Single Seat“ durchaus wünschenswert – nur nicht in Brüssel, sondern eben in Straßburg. Im Grunde ist diese Diskussion ein Trauerspiel, in dem Politik, Gewaltenteilung und Demokratie nur eine untergeordnete Rolle spielen – es geht in erster Linie um persönliche Interessen.

Und wer ist gerade mit welchen Argumenten gegen Straßburg unterwegs?

AG: Die Argumente gegen den Standort Straßburg werden immer abstruser. So wurden in der Wasserversorgung im Strassburger Parlament Legionellen gefunden, was eigentlich kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass das Gebäude nur eine Woche im Monat genutzt wird. Theoretisch müsste man jeden Abend warmes Wasser durch die Leitungen laufen lassen, damit sich dort keine Bakterien oder eben Legionellen ausbreiten können…

… aber so etwas macht ja kein Mensch…

AG: Haben Sie eine Ahnung! Im Brüsseler Parlamentsgebäude werden abends ab 23 Uhr, wenn niemand mehr im Gebäude ist, tatsächlich die Wasserhähne aufgedreht, um diesen Effekt zu vermeiden! Und solche Debatten um Nichtigkeiten lenken dann sehr schön vom eigentlichen Thema ab – nämlich dass ein Dauerbetrieb in Straßburg für alle die beste Lösung darstellen würde. Würde man hierfür die Infrastruktur verbessern, die Verkehrsanbindungen, die Hotelkapazitäten, dann würde hier ein neues Zentrum eines demokratischen Europas entstehen!

Also sollte das Parlament von Brüssel zurück nach Straßburg kommen?

AG: Natürlich, genau, wie es in den Verträgen steht. Viele meiner Kollegen wissen gar nicht, dass laut dieser Verträge nur eine Ausschusssitzung des Parlaments pro Jahr in Brüssel stattfinden muss. Doch ist eine objektive Meinungsbildung schwer, zumal auch die Stadt Straßburg nicht genug für ihren Status als Europahauptstadt tut. Es gibt noch nicht einmal ein Modell, wie ein alleiniger Parlamentssitz Straßburg aussehen könnte – insofern ist es kaum verwunderlich, dass es in allen Fraktionen im Parlament sowohl Gegner, als auch Befürworter des Sitzes Straßburg gibt.

Und meinen Sie, dass die Wahl des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine Auswirkung auf die Frage des Parlamentssitzes hat?

AG: Das muss man abwarten, doch bislang hat sich Macron nicht für den Standort Straßburg ausgesprochen. Das wäre dann schon eine Missachtung des Wählerwillens – denn die Franzosen haben eindeutig gegen die Europafeindin Le Pen gestimmt, ausgehend von der Annahme, Macron sei pro-europäisch eingestellt. Ein Wegzug des Parlaments wäre das denkbar schlechteste Signal – denn Frankreich und Straßburg hätten ein Parlament von Weltniveau verdient, in dieser Stadt, die Kultur und Geschichte auf so einzigartige Weise verbindet. Es kann jetzt nicht darum gehen, den Standort Strassburg zu schwächen oder gar aufzugeben, sondern vielmehr ist die Aufgabe, die Geschichte Europas mit einer zukunftsweisenden Politik zu koppeln – in Straßburg!

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