Straßburg marschiert und stolpert vor sich hin

Die großen Veränderungen in der französischen Politik gehen auch an der Lokalpolitik nicht spurlos vorüber. Beispiel Straßburg.

Im Straßburger Stadtrat dürfte es künftig hoch hergehen... Foto: Claude Truong-Ngoc / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Vor nicht allzu langer Zeit regierten in Straßburg die Sozialisten. Die Sozialistische Partei PS, die zwar eher sozialdemokratisch als sozialistisch aufgestellt war, hatte immer gute Karten in der Europahauptstadt – doch jetzt implodiert sie. In den letzten Tagen hat sich ihre Fraktion in vier (!) neue Fraktionen aufgebröselt und OB Roland Ries hat die Fraktion auch gleich verlassen, um, wie er erklärte, über allem schwebend das alles zusammenzuhalten. Und das dürfte schwierig werden.

Es klingt, als wäre alles neu, doch das stimmt so nicht. Die vier neuen Fraktionen (nein, es sind drei, denn die „Fraktion der Sozialisten und Republikaner“ gibt es immer noch in stark abgespeckter Version) sind: die „Fraktion der Ökologie und der Bürger“, die „République en Marche“ und die „Soziale, ökologische und bürgernahe Kooperative“. Über diesen Fraktionen schwebt nun der fraktionslose OB Roland Ries, der sich künftig vor jeder Abstimmung fragen muss, ob und welche Mehrheiten er überhaupt noch hat. Für Straßburg ist diese Entwicklung alles andere als positiv, denn künftig wird im Stadtrat deutlich mehr Parteipolitik gemacht als bisher.

Diese „Runderneuerung“ ist in erster Linie eins: Etikettenschwindel. Denn hier findet nicht etwa eine Erneuerung statt, sondern die Stadträte versuchen sich schnell auf die Seite möglicher Gewinner zu schlagen, um ja nicht bei den Verlierern zu bleiben. Es geht also weniger um eine politische Neuausrichtung, sondern um persönliche Karrieren.

Ob Roland Ries bis zur nächsten OB-Wahl durchhält? Das ist mehr als fraglich, denn das Finden von Mehrheiten dürfte künftig richtig kompliziert werden. Und dabei reden wir noch nicht einmal von der Opposition im Stadtrat, die sich vermutlich gerade die Hände reibt, wenn sie zuschaut, wie sich die regierende PS in ihre Atome zerlegt.

Und eines haben die Damen und Herren der Politik immer noch nicht verstanden – nämlich dass es genau diese Art des Verhaltens ist, die mittlerweile fast 60 % der Franzosen so abstößt, dass sie nicht mehr wählen gehen. Das werden sie vermutlich erst dann verstehen, wenn ihnen bei der nächsten lokalen Wahl genau das passiert, was den traditionellen Parteien bei der Präsidentschafts- und der Parlamentswahl widerfahren ist – das Abrutschen in die absolute Bedeutungslosigkeit.

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