Straßburg solidarisch mit den Pflegeberufen

Deutlich mehr als 5000 Teilnehmer*innen haben gestern für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter und mehr Anerkennung der Berufe in den Krankenhäusern demonstriert.

Gestern zeigten die Strassburger, dass sie mit den "Held*innen der Krise" solidarisch sind. Jetzt muss die Regierung liefern. Foto: alle Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Notfallärzte, Altenpfleger und andere Pflegeberufe haben es satt. Während des Lockdowns applaudierte die Bevölkerung jeden Abend um 20 Uhr, um ihrer Dankbarkeit gegenüber den Lebensrettern Ausdruck zu verleihen. Auch die Regierung versprach, „die Held*innen“ gebührend zu ehren. Doch nur wenige Tage nach der Lockerung des Lockdowns ist das alles schon wieder vergessen. Die mehr als 5000 Demonstrant*innen in Straßburg zeigten aber deutlich, dass sie nicht gewillt sind, diese schnelle Amnesie der Regierung mitzumachen. Respekt!

Es ist schon ärgerlich. Während des gesamten Lockdowns war man sich in Frankreich einig – die wahren Helden und Heldinnen der Gesellschaft sind diejenigen, die Kranke und Alte pflegen, versorgen, retten, teilweise unter Einsatz des eigenen Lebens, denn leider war die Regierung mehrere Wochen lang nicht in der Lage, wenigstens dem Pflegepersonal in den Krankenhäusern Masken, Handschuhe und Handgel in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Also deklarierte man die Pflegeberufe zu „Held*innen“ und versprach, sie nie wieder so schlecht zu behandeln wie bisher.

Aber am Ende war das alles nur Bla-Bla – seit der Lockdown gelockert ist, geht es dort weiter, wo es bei Ankunft des Coronavirus aufgehört hatte. Abbau von Betten in den Krankenhäusern, Blechmedaillen statt Gehaltserhöhungen für die Pflegekräfte, Nichtauszahlung der versprochenen Prämien, die plötzlich an verschiedene Kriterien gebunden sind und allgemein – die Missachtung dieser Berufe, ohne die Frankreich Zehntausende weitere Todesfälle zu verzeichnen gehabt hätte. Doch so wenig sich die französische Regierung mit ihren Pflegekräften solidarisieren und identifizieren kann, so sehr haben diese Berufe die Herzen der Menschen berührt. So waren gestern sicherlich die Hälfte der Demonstrant*innen keine Pflegekräfte, sondern normale Bürger*innen, die ihrer Solidarität mit den Pflegekräften Ausdruck verleihen wollten.

Mitten in der Demo stand ein Mann, unauffällig gekleidet, und hielt ein Schild hoch. „Ich bin Fernfahrer und mit den Pflegekräften solidarisch“, stand auf dem Schild. Und das war gestern auch die Grundstimmung. Die Regierung und Gesundheitsminister Veran wären gut beraten, würden sie aufhören, öffentlich zu lügen („Alle Pflegekräfte haben ihre Prämie erhalten“… fragen Sie mal bei den Pflegekräften nach!), weiter am Abbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu basteln und genau die gleichen Fehler zu wiederholen, die bereits die Vorgängerregierungen gemacht hatten.

Während es ziemlich traurig ist zu sehen, wie kurz das Gedächtnis der französischen Regierung ist, so erfreulich ist es zu sehen, wie solidarisch die französische Gesellschaft mit den Pflegeberufen ist. Zwei Wochen vor der wichtigen Stichwahl um die OB-Sessel in vielen Städten stellt sich allerdings die Frage, was sich die Regierungspartei LREM davon verspricht, weiterhin die Unwahrheit zu sagen und die „Helden von gestern“ wieder als die „Handlanger von heute“ zu behandeln. Wollen diese Leute nicht wiedergewählt werden? Oder meint die Politik wirklich, dass Geringschätzung, Lügen und „weiter so, wir sind die Größten“ die Menschen dazu bewegen werden, für diejenigen zu stimmen, die diese Krise so amateurhaft gemanagt haben?

Eines ist klar – mit diesem Aktionstag ist der soziale Groll der Pflegeberufe nicht etwa vorbei, sondern fängt nun erst richtig an. Man muss kein Nobelpreisträger sein, um vorherzusehen, dass sich diese Proteste mit anderen Protesten (Gelbwesten, Rentenreform etc.) zusammenfinden werden und Frankreich gleich wieder in den nächsten Sozialkonflikt stürzen werden. Doch offensichtlich ist es das, was Präsident Macron am meisten an seinem Job schätzt – Konflikte mit der eigenen Bevölkerung, gerne unter Einsatz von Kriegsgerät. Die erste Quittung für diese Haltung dürfte ihm am 28. Juni ins Haus flattern, wenn viele seiner Kandidaten und Kandidatinnen für die wichtigen OB-Posten durchfallen werden.

Die Solidarität der Franzosen und Französinnen mit Ärzten, Krankenschwester, Pflegekräften und anderen Pflegeberufen wird andauern – so lange, bis die Regierung endlich anfängt, ihren Worthülsen Taten folgen zu lassen. Und bis dahin, jede Wette, werden die Proteste weitergehen.

OK demo 2
OK demo 3
OK demo 4

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