Straßburg und Memel – Basketball verbindet

Im Achtelfinale der Basketball-Champions League trifft SIG Strasbourg auf den Vertreter aus Litauen. Das Hinspiel in Klaipeda ging verloren, am Mittwoch müssen die Elsässer den Rückstand von 5 Punkten aufholen – und möglichst noch einen Punkt dazu.

Mittwoch geht es für die SIG ums Ganze... zumindest im europäischen Wettbewerb. Foto: SIG Strasbourg

(Von Michael Magercord) – Mein Großvater hatte Deutschland nie verlassen. Er wurde um die Jahrhundertwende im Elsass geboren, doch schon bald darauf siedelte die junge Familie nach Memel über. Vom äußersten Südwesten in den äußersten Nordosten des Landes. Seine Mutter war Elsässerin, sein Vater preußischer Offizier und Gestütsverwalter. In der quirligen Hafenstadt an der Ostsee betrieb die Familie ein Geschäft mit Pferdefuhrwerken.  

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde nicht nur das Elsass französisch, auch die Hafenstadt kam laut Versailler Vertrag als autonome Stadt unter ein französisches Völkerbundsmandat. Ein Vorteil für die Elsässer, die mit der Besatzungstruppe ganz gut ins Geschäft kamen. Allerdings nicht lange, denn schon bald waren Pferde aus der Mode und Lastwagen übernahmen die Straßen. Die Familie verkaufte ihr Unternehmen und verließ vor bald hundert Jahren die Stadt, die wenige Jahre später unter dem Namen Klaipeda Teil des unabhängigen Litauen wurde.

Was hat diese Familiengeschichte mit dem anstehenden Spiel zwischen den Basketballteams SIG Strasbourg und Neptunas Klaipeda zu tun? Auf den ersten Blick gar nichts. Den Spielern wird das herzlich egal sein, was irgendwer mit der Konstellation beider Mannschaften verbindet. Und der Spannung des Sportereignisses tut es keinen Abbruch, wenn die Akteure  nichts mit den Orten, in denen ihre Mannschaften angesiedelt sind, zu tun haben.

Und so ist es doch erstaunlich, dass ein Ereignis des Spitzensports mir diese Geschichte wieder in Erinnerung bringt. Ausgerechnet Spitzensport! Wie kann bloß die sportliche Leistung von Profisportlern eine örtlich verbundene Identität stiften? In der Anfangsformation der Straßburger, die im Hinspiel in Litauen auf dem Platz stand, befand sich kein Franzose, geschweige denn ein Elsässer. Das aber wäre nicht von Bedeutung, bemerkenswerter ist, dass von den Fünfen in der letzten Saison noch keiner dabei war, und sicher einige unter ihnen schon in der nächsten nicht mehr dabei sein werden.

Und trotzdem, es hilft nichts, immer noch steht der Verein für die Stadt Straßburg, und die Verbundenheit mit der Stadt überträgt sich auf die Mannschaft. So leicht erwischt es einen, und dass, obwohl diese identifikative Übertragung lokaler Verbundenheit auf Teams aus Profis immer absurder wird. Beim Fußball und den Unsummen, die für und an junge Spieler gezahlt werden, ist es noch verrückter, diese abgehobene Welt mit der seinen zu verbinden. Warum tut man es trotzdem? Will man dazugehören, selbst wenn man es nicht tut? Oder ist es viel simpler: Muss man mit irgendetwas mitfiebern, weil es sonst so fad ist, wo man lebt? Fragen über Fragen, die sich durch eine Identifikation mit einer Profimannschaft ergeben…

Immerhin: Fad ist Spitzensport nicht, dafür sorgt er mit seinen nationalen und internatationalen Organisationen selbst. Auch die sportliche Ausgangslage für das Spiel am Mittwoch verspricht Spannung: Nach einem Sieg im letzten Gruppenspiel hatte sich die Mannschaft von SIG als Sieger der Gruppe C für das Achtelfinale qualifiziert. Gegner ist der Vierte der Gruppe B Neptunas Klaipeda aus Litauen. Eine starke Mannschaft aus der großen Basketballnation der einstigen Sowjet Union. SIG stand im Hinspiel letzte Woche zu Beginn unter Druck, hat sich im Laufe der Partie gefangen, letztlich haben sie sich 5 Punkte Rückstand eingefangen. Eine gute Grundlage für ein spannendes Rückspiel – und dafür, all die Fragen, die sich mit so einem Spiel verbinden würden, gleich wieder zu vergessen.

SIG Strasbourg – Neptunas Klaipeda
Achtelfinal-Rückspiel Champions League (Hinspielergebnis 68:73)

Mittwoch, 14. März, 20.30 Uhr
Rhenushalle, Wacken
Infos und Tickets: www.sigstrasbourg.fr

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