Straßburg unter Schock

Ein Angriff auf die Besucher des Weihnachtsmarkts gestern Abend entsetzt Straßburg, Frankreich und die Welt. Doch ist es noch zu früh, um eine genaue Einschätzung abzugeben.

An dieser Stelle begann die Schiesserei gegen 20 Uhr. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Um 23:35 Uhr war der Täter noch auf der Flucht. Offenbar verletzt hat der 29jährige Straßburger, der aufgrund seiner Radikalisierung als „Fiche S“, also als potentieller Gefährder eingeschätzt wurde, die Polizeisperren umgehen können und wird zu dieser Zeit im Quartier „Neudorf“ vermutet. Dass es trotz aller modernen Überwachungstechnologie, trotz aller Sicherheitsmaßnahmen rund um den Weihnachtsmarkt möglich ist, dass der Täter seit ungefähr 20 Uhr weiter auf freiem Fuß ist, mag man kaum glauben.

Gegen 20 Uhr eröffnete der Mann, laut Augenzeugenberichten mit einem Trommelrevolver ausgestattet, das Feuer auf Passanten in der Rue des Grandes Arcades in der Straßburger Innenstadt. In heller Aufregung leerte sich der Weihnachtsmarkt, die Stände wurde so hinterlassen, wie sie waren und die Innenstadt leerte sich in Minutenschnelle, während dem Täter offenbar die Flucht in die Grand’Rue gelang, wo es offenbar weitere Schüsse und Verletzte gab.

Vieles deutet auf einen Terroranschlag hin, allerdings sollte der Täter am Morgen in einer Strafsache verhaftet werden – es ist also auch durchaus denkbar, dass die Motivation für diesen Amoklauf einen anderen Hintergrund hat.

Auf die Stadt Straßburg kommen nun ganz schwere Tage zu. Die Trauer um die Opfer, die Solidarität mit den Überlebenden, der Umgang mit dem Schock für die ganze Bevölkerung – und in diese Gefühlslage müssen die Stadtoberen entscheiden, ob sie die wichtigste Großveranstaltung des Jahres in Straßburg weiterlaufen lassen oder abbrechen. Die Situation erinnert ein wenig an München 1972, als die Chefs de IOK entscheiden mussten, ob sie die Olympischen Spiele nach dem Terroranschlag auf die israelische Mannschaft weiterlaufen lassen oder nicht.

Doch bevor man sich um diese Fragen kümmern kann, muss Straßburg erst einmal die Trauer und den Schock bewältigen. Seit Jahren fürchtet man einen Angriff auf diesen Weihnachtsmarkt in der Europahauptstadt, seit Jahren hört man davon, dass solche Angriffe vereitelt werden konnten. Das war gestern. Heute ist der Weihnachtsmarkt eine offene Wunde in der Innenstadt und abgesehen davon, dass am Ort dieses Geschehens wohl keine Weihnachtsstimmung mehr aufkommen wird, muss man mit dieser Situation umgehen.

Heute werden wir auf den Sozialen Netzwerken zahlreiche Posts sehen, die „Wir sind Straßburg“ oder so ähnlich lauten werden. So, wie wir damals „Wir sind Charlie“ oder „Wir sind Paris“ oder „Wir sind Nizza“ gepostet haben. Doch plötzlich merkt man, dass das gar nicht stimmt. Wir werden nun ganz schnell lernen müssen, wie man mit der Angst umgeht, die eine unvermeidliche Folge eines solchen Angriffs ist. Seien wir solidarisch, stehen wir zusammen und vielleicht ist das auch ein Zeichen an bestimmt Kreise dieser Gesellschaft, ihr aggressives Verhalten einzustellen. Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem man zusammenstehen muss.

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