Straßburgs OB muss Personenschutz beantragen

Nach Beleidigungen, Hetzkampagnen und Morddrohungen hat die Straßburger Bürgermeisterin Jeanne Barseghian Personenschutz beantragt. Die Demokratie ist in Gefahr.

Ganz Strassburg muss jetzt solidarisch zur Bürgermeisterin Jeanne Barseghian stehen. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Was gerade in Straßburg passiert, ist mit dem Begriff „Skandal“ nur unzureichend beschrieben. Man mag zugestehen, dass der eine oder andere nicht mit der Politik der Stadt einverstanden ist – das ist immer so. Es hat noch nie eine Regierung gegeben, mit deren Politik ausnahmslos alle einverstanden gewesen wären. Doch dass Politiker persönlich beleidigt und bedroht werden, das ist eine Eskalation, die man sehr aufmerksam beobachten muss. Denn diejenigen, die solche Drohungen formulieren, sind die übelsten Extremisten, eine echte Gefahr für die Demokratie.

In den letzten Wochen und Monaten haben viele Entscheidungen der grünen Stadtregierung Unverständnis ausgelöst, viele Straßburger beklagen auch die schwache Kommunikation der Stadtregierung, das Fehlen klarer Erläuterungen. Geschenkt. Das war bei den vorherigen Stadtregierungen unter Roland Ries und zuvor unter Keller / Grossmann nicht anders. Doch wer mit einer Regierung unzufrieden ist, der hat in einer Demokratie die Möglichkeit, durch sein Abstimmungsverhalten Politik zu verändern. Man kann sich auch selbst in der Politik engagieren und zum Teil politischer Veränderungen werden. Doch persönliche Beleidigungen und Morddrohungen sind Dinge, die eine Demokratie in Grenzbereiche bringen.

Speziell die Frage einer (inzwischen gestoppten) Subvention für den Bau einer neuen Moschee an den extremistischen Verein „Milli Görüs“ hat viele Straßburger aufgeregt. Doch wer mit solchen Entscheidungen unzufrieden ist und mit Morddrohungen reagiert, der ist ein ebenso gefährlicher Extremist wie diejenigen, die ihn selbst so aufregen.

Diese selbsternannten „Retter der Demokratie“, die am liebsten eine gewählte Bürgermeisterin umbringen würden, die offen mit Hassreden gegen sie in den sozialen Netzwerken hetzen, sind nicht etwa die „Retter“, sondern die schlimmsten Feinde der Demokratie. Jeanne Barseghian ist demokratisch von der Mehrheit der Straßburger gewählt worden und selbst das Geschwätz der fehlenden Legitimität aufgrund der geringen Wahlbeteiligung ist Blödsinn. Alle Unzufriedenen hatten die Möglichkeit, jemand anderen zu wählen. Und zur Erinnerung – diejenigen, die von mangelnder Legitimität reden, haben selber noch weniger Stimmen erhalten als Jeanne Barseghian und wären folglich noch weniger legitim.

Jeder hat das Recht, mit seiner Regierung unzufrieden zu sein. Jeder hat auch das Recht, dies kundzutun. Doch niemand hat das Recht, gewählte Vertreter des Volkes zu beleidigen, zu bedrohen oder gar anzugreifen. Wer dies für sich in Anspruch nimmt, ist ein Feind der Demokratie und nimmt in Kauf, das Land in ein politisches Chaos zu stürzen, das schlimme Folgen haben kann.

Dass Jeanne Barseghian nun Personenschutz beantragen muss (auf Französisch: „Protection fonctionnelle“, ist ein ganz übles Zeichen. Gleich, wie man zu der grünen Stadtregierung und der Bürgermeisterin steht, dies ist der richtige Zeitpunkt, uneingeschränkte Solidarität mit der Bürgermeisterin zu zeigen. Der „Feind der Demokratie“ ist nicht etwa die Stadtregierung, sondern die Feinde der Demokratie sind die Extremisten, die meinen, ihre persönlichen Ansichten mit Gewalt, Hass und Drohungen durchsetzen zu können.

Jeanne Barseghian kann man nur zurufen, dass sie sich von diesen Extremisten nicht beirren lässt. Jeder Demokrat muss heute vor Jeanne Barseghian stehen und sie gegen diese Wahnsinnigen verteidigen, die glauben, dass eine „Weimarer Republik 2.0“ eine Lösung sei. Und ganz Frankreich muss aufpassen, dass die Grundregeln der Demokratie nicht eine nach der anderen ausgehebelt werden. Die Zeichen stehen auf Sturm – und die Demokraten müssen heute mehr zusammenstehen als je zuvor. Wehret den Anfängen!

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