Stühlerücken in Paris

Heute soll die große Umgestaltung des französischen Kabinetts unter dem neuen Premierminister Jean Castex stattfinden. Für die neuen Minister ist das ein Himmelfahrtskommando.

Sic transit gloria mundi, steht unter der Uhr, so vergeht der Ruhm der Welt. Gilt auch für die "Macronie". Foto: Aisano / Wikimedia Commons / Free Art License

(KL) – Zwei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit wird es eng für Emmanuel Macron. Nachdem er bereits 18 (!) Mitglieder seiner Regierung in nur zweieinhalb Jahren verheizt hat, soll am heutigen Montag die neue Regierungsmannschaft vorgestellt werden. Doch angesichts der Umstände in Frankreich werden die Kandidat*innen für einen Ministerjob immer weniger – wer jetzt noch in diese Regierung auf einem Ministersessel einsteigt, der muss damit rechnen, dass nach zwei Jahren seine oder ihre politische Karriere endet…

Die ersten zweieinhalb Jahre der Amtszeit des französischen Präsidenten waren schon ziemlich katastrophal. Soziale Unruhen, ein nicht stattfindender Dialog zwischen dem Präsidenten und seiner Bevölkerung, nicht eingehaltene Versprechen, Skandale und Skandälchen – die versprochene „neue Welt“ der französischen Politik entpuppte sich als die „alte Welt im Amateurmodus“. Es wurde viel geredet und wenig getan. Doch das alles war noch ein Spaziergang im Vergleich dazu, was die französische Regierung in den nächsten zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentschaftswahl erwartet. Wer jetzt noch das Angebot eines Ministerpostens akzeptiert, der kann das eigentlich nur noch deshalb tun, um sich eine auskömmliche Rente zu sichern, denn politisch werden die meisten Minister diese Amtszeit nicht überstehen.

Man konnte es deutlich an der gerade absolvierten OB- und Kommunalwahl erkennen – die Kandidat*innen der Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) wurden von den Wähler*innen abgestraft. Und es wird nicht besser werden. Nachdem der neue Premierminister Jean Castex gleich vollmundig angekündigt hatte, dass die geplante Rentenreform, gegen die vor dem Lockdown Hunderttausende auf die Straße gingen, auf jeden Fall „schnell durchziehen“ zu wollen, läutet die Regierung die nächsten Sozialkonflikte ein. Auch die Bewegung der „Gelbwesten“ wird sich nun wieder bemerkbar machen und dazu kommt die gerade begonnene Aufarbeitung des Managements der Covid-19-Krise, in der sich die Regierung mit zahlreichen Lügen und Falschinformationen selbst ins Abseits geschossen hat. Die politische Verantwortung werden die „Macheurs“ nicht von sich weisen können, weder für die seit November 2018 andauernden Sozialkonflikte, noch für das schlechte Management der Covid-19-Krise.

Man kann sich eigentlich kein Szenario vorstellen, in dem diese Regierung in den kommenden zwei Jahren wieder punkten kann. Die hohen Nichtwählerzahlen bei der OB-Wahl zeigen, dass die Franzosen das Vertrauen in die Politik verloren haben – wenn zwei von drei Wähler*innen nicht mehr wählen gehen, dann ist das die Bankrotterklärung der traditionellen Parteien, zu denen man inzwischen auch Macrons LREM zählen muss.

Heute soll also die neue Regierungsmannschaft vorgestellt werden und zum Nationalfeiertag, am 14. Juli, will Emmanuel Macron wieder eine seiner salbungsvollen TV-Ansprachen halten, deren Inhalte in Frankreich nur noch die Jünger von LREM glauben. Und dann geht es wieder los. Mit Demonstrationen, Straßenschlachten, Notstandsgesetzen, eben genau wie vor der Covid-19-Krise. Nur dass die Auseinandersetzungen schärfer sein werden als vorher, denn diese Krise hat viele Menschen an den Rand des Zumutbaren getrieben. Aber dafür hat die Regierung vorgesorgt, indem sie während der Krise zwar keine ausreichende Anzahl Masken besorgen konnte, dafür aber frisches Kriegsgerät für die Polizei, damit diese die befürchteten Unruhen klein halten kann. Aber meint LREM wirklich, dass die Menschen eine Partei wählen oder einen Präsidenten wiederwählen werden, der nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung zu schützen, dafür aber eine Art Bürgerkrieg gegen das eigene Volk vorbereitet?

Die neuen Minister, die heute vorgestellt werden, können nun zwei Jahre Vollgas geben. Länger aber nicht, denn wiedergewählt werden diese Regierungsmitglieder nicht. Und wer weiß, wie viele dieser neuen Minister überhaupt bis 2022 durchhalten werden – angesichts des Verschleißes im Kabinett wird es für viele der „Neuen“ schwer werden, überhaupt so lange in Amt und Würden zu bleiben.

Dafür schlägt nun die Stunde der Grünen – wenn es die vielen neuen grünen Bürgermeister*innen in den kommenden zwei Jahren schaffen, eine positive und dynamische Politik zu führen, dann werden sie die ersten Kandidaten, die Macron & Co. im Jahr 2022 herausfordern können. Am Ende wird dann die „Macronie“ als ein großer Bluff in die französische Geschichte eingehen. Und alle, die auf diesen Zug gesprungen sind, in der Hoffnung, bei LREM schnell Karriere machen zu können, werden zusammen mit Macron von der politischen Bildfläche verschwinden. Sic transit gloria mundis….

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