Stufe 1

Seit gestern hat in Frankreich der Prozess der Lockerungen der Covid-Maßnahmen begonnen. Und das bei einer Inzidenz von knapp 300 und einer Notbremse bei 400...

Änderung 1 - diese selbst ausgefüllten Ausgangsgenehmigungen braucht man tagsüber nicht mehr. Foto: Gouvernement français / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die französische Regierung hat es beschlossen und nun wird es durchgezogen. Der vierstufige Plan, der damit enden soll, dass am 30. Juni praktisch sämtliche Covid-Maßnahmen beendet werden sollen, wurde gestern mit Stufe 1 gestartet. Da diese Stufe 1 nur sehr geringe Änderungen am Status Quo bringt, rechnet man allgemein nicht unbedingt mit einem Anstieg der Zahlen. Auf Stufe 2 könnte sich das allerdings ändern.

Was hat sich nun gestern in Frankreich konkret geändert? Abgesehen davon, dass seit gestern die Schülerinnen und Schüler wieder in den Präsenz-Unterricht wechseln, ändert sich im täglichen Leben eigentlich nicht viel. Lediglich die Einschränkung der Bewegungsfreiheit 10 km rund um die eigene Wohnung entfällt, ebenso wie das Verbot von Reisen zwischen den französischen Regionen. Und da diese Restriktionen entfallen, müssen die Franzosen ab sofort auch nicht mehr die unsäglichen Ausgangsgenehmigungen ausfüllen (wobei das nur tagsüber gilt).

Ansonsten bleibt alles für die nächsten zwei Wochen beim Alten. Abendliche und nächtliche Ausgangssperre ab 19 Uhr, geschlossene Geschäfte und Terrassen, reduzierte Sozialkontakte. Dies soll sich aber ab dem 19. Mai ändern, wenn Stufe 2 gezündet wird.

Wie sinnvoll diese Änderungen sind, vor allem unter Berücksichtigung einer „Notbremse“ bei einer Inzidenz von 400 (!), das wird man sehen. Da in allen Nachbarländern ganz andere Maßnahmen gelten, stehen die Chancen, mit regionalen oder nationalen Maßnahmen eine Pandemie bekämpfen zu können, sehr schlecht. Man kann eine Pandemie nicht nur auf nationaler Ebene betrachten. Die Tragödien, die sich heute in Indien, Brasilien und anderen Ländern abspielen, betreffen uns genauso wie diese Länder selbst. Denn wir leben in einer globalen und mobilen Welt und die in Indien und Brasilien grassierenden Virus-Varianten sind längst bei uns angekommen.

So verständlich der Wunsch der französischen Regierung ist, deutliche Lockerungen rechtzeitig zu den wichtigen Regional- und Departements-Wahlen durchzuführen und der Bevölkerung durch die Abschaffung aller Restriktionen einen schönen Sommerurlaub zu ermöglichen, so gefährlich ist diese Strategie.

Wäre es möglich, eine Pandemie durch ein präsidiales Dekret zu beenden, dann wäre dies längst geschehen. So aber spielt die Regierung mit der eigenen Bevölkerung Russisches Roulette. Das zumindest glauben viele Experten wie der Epidemiologe Pascal Crépy, der die nächste starke Welle im Juni kommen sieht, also nach den Lockerungen auf Stufe 2.

Nach wie vor ist es erstaunlich, dass alle Regierungen weiter reflexhaft an nationalen und regionalen „Lösungen“ basteln, die im Idealfall eine kurzfristige Erleichterung in den Krankenhäusern sorgen, keinesfalls aber das Virus ernsthaft eindämmen kann. Aber da wird man noch lange schreiben und argumentieren können – der Gedanke, dass man eine weltweite Pandemie nicht auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene bekämpfen kann, verfängt einfach nicht bei den Regierungen. Also wird weiter an „Lösungen“ gebastelt, mit denen die Präsenz des Virus auch langfristig sichergestellt wird.

Dann also viel Freude auf Stufe 1, auf der sich kaum etwas im täglichen Leben ändert… richtig ernst wird es am 19. Mai.

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