Syrien brennt – wo steht eigentlich Deutschland in diesem Konflikt?
Seit Tagen intensivieren sich die Kämpfe in einem mittlerweile völlig unübersichtlichen Syrien. Obwohl Russland, die USA und Frankreich die gleichen Ziele angreifen, verfolgen sie eine völlig unterschiedliche Politik. Und Deutschland?

(KL) – Wenn man sich aktuelle Karten Syriens anschaut, auf denen verzeichnet ist, wer gerade welches Gebiet kontrolliert, hat man einen erbarmungswürdigen Flickenteppich vor sich. Einige Regionen werden vom IS kontrolliert, andere von Assads regulären Truppen, wieder andere von Gruppierungen, die gegen den Diktator kämpfen, im Norden haben Kurden Grenzregionen unter Kontrolle und niemand weiß mehr genau, was in Syrien passiert. Einig ist man sich eigentlich nur, dass alle gegen den „Islamischen Staat“ sind, der die gesamte Region mit einem grausamen Terror überzieht. Russland und die USA haben gerade erst in New York übereinstimmend festgestellt, dass sie sich auf keine gemeinsame Politik zur Syrienfrage einigen können, Frankreich bombardiert Ausbildungslager des IS und Deutschland? Erteilt, wie so oft, gute Ratschläge.
Die westlichen Staaten, die in Syrien aktiv sind, also die USA und Frankreich, sind davon überzeugt, dass es keinen Frieden geben kann, solange Bachir al-Assad, der Diktator, der Hunderttausende seiner eigenen Bürger hat ermorden lassen, weiter an der Macht ist. Also versucht man den Spagat, den IS, einen eingeschworenen Feind Assads, anzugreifen, ohne dabei den syrischen Diktator zu stärken. Russland hingegen, das auch Bombenangriffe in Syrien auf den IS fliegt, dies zumindest behauptet, wobei der Westen den Russen vorwirft, stattdessen die syrischen Rebellen zu bombardieren und damit für Assad zu kämpfen, ist der Ansicht, dass es eine Lösung in Syrien nur mit Diktator Assad geben kann und hat ihm mit dieser Kernaussage eine Art Sicherheitsgarantie gegeben. Diese beiden Positionen sind nicht miteinander vereinbar, werden aber von Ländern getroffen, die zumindest alle dem Anschein nach den Kampf gegen den IS aufgenommen haben.
Doch auch Deutschland, das aus historischen Gründen Kampfeinsätze im Ausland vermeidet (vielleicht auch, weil die Ausrüstung der Bundeswehr schlechter ist als die einer mittelmäßigen Terrorgruppe im Mittleren Osten), muss aber auch zu dieser Frage seinen Senf dazu geben. So meinen sowohl die Kanzlerin Angela Merkel, ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und auch der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, der anerkannte Sicherheitsexperte und frühere Staatssekretär Wolfgang Ischinger, dass man mit Assad sprechen müsse, ja sogar „die Kröte Assad schlucken” solle (Ischinger) und dass man den syrischen Diktator in die Gespräche einbeziehen müsse. Hat Deutschland denn gar nichts aus den Ereignissen um Saddam Hussein oder Muamar Gaddafi gelernt? Und müssen deutsche Politiker wirklich zu jedem Thema etwas in die Mikrophone plappern?
Die deutschen Vorschläge müssen in Washington und Paris wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Der Ratschlag, man möge sich mit dem Massenmörder al-Assad an einen Tisch setzen, ist das genau Gegenteil dessen, was die USA und Frankreich gerade in Syrien versuchen – den IS auszuschalten und dazu eine Situation zu schaffen, in der Assad daran gehindert werden kann, seinen Massenmord am eigenen Volk weiter zu führen.
Dass sich Deutschland nicht an diesen militärischen Interventionen beteiligen will, ist eine Sache. Doch wenn sich Deutschland aus diesem Konflikt heraus hält, dann sollte es sich auch öffentliche Ratschläge an diejenigen verkneifen, die gerade alles daran setzen, die Übernahme der gesamten arabischen Welt, vom Fernen Osten bis zum Maghreb, durch den IS zu verhindern. Schlaue Ratschläge sind das letzte, was die USA und Frankreich in der Syrienkrise gerade brauchen. Schlimmer noch, sie sind kontraproduktiv und geeignet, Russland in der Unterstützung eines der blutigsten Diktatoren der Welt zu bestärken. Es gibt Themen, zu denen darf auch Deutschland einfach mal schweigen.
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