Tanz auf dem Covid-Vulkan

Die Corona-Krise bewegt sich von Welle zu Welle und während die Situation für viele immer schwieriger wird, geht es anderen prächtig. Vor allem denjenigen, die nichts für die Allgemeinheit tun.

Klar, Börsenhandel gefällt. Zumindest der Handvoll Leute, die sich damit eine goldene Nase verdienen. Foto: Credit Score Geek / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Es ist sicherlich Zufall, dass sich der Firmensitz des Vakzin-Herstellers „BionTech“ in einer Straße in Mainz befindet, die „An der Goldgrube“ heißt. Vielleicht aber auch nicht. Denn während die Weltgesundheit und gleichzeitig die Weltwirtschaft in immer größere Probleme laufen, spielen die Börsen verrückt und jagen einen Rekord nach dem anderen. Momentan wird richtig viel Geld verdient – allerdings nur von denjenigen, die mit der Arbeit anderer spekulieren.

Auch, wenn die „BionTech“-Aktie täglich weiter klettert (alleine am Freitag verzeichnete sie ein Plus von über 7 %), sind es noch nicht einmal die Hersteller des lange erwarteten Vakzins, die richtig viel Geld verdienen, sondern lediglich die Börsenspekulanten. „BionTech“ selbst hat 2020 noch einen Verlust von über 210 Millionen Euro gemacht, wobei sich das 2021 ändern wird. Nach der Entwicklungsphase des Vakzins wird dieses nun verkauft und „BionTech“ dürfte bald in die Gewinnzone kommen. Das ist auch gut und richtig, dass diejenigen, die etwas leisten, damit auch Geld verdienen. Anders sieht es da schon bei den pickelgesichtigen Investment-Bänkern aus, die nichts anderes tun als zu zocken, zu spekulieren und zu wetten. Die Börsen laufen heiß und trotz der immensen Schwierigkeiten, auf die unsere Volkswirtschaften zusteuern, wird dort unendlich viel Geld verdient, wo nichts produziert, wo keinerlei Dienstleistung erbracht, wo nichts für die Allgemeinheit geleistet wird. Wie lange wollen und können wir uns noch ein System leisten, das nichts anderes kennt als die Interessen der „Märkte“?

Die Situation erinnert ein wenig daran, was man über das Berlin der 20er Jahre lesen kann. Inmitten einer enormen Krise drehen die Menschen durch. Es fließt der Champagner, es wird gefeiert, es werden unglaubliche Summen Geld verdient, während die Menschen auf der anderen Seite der Stadt Hunger leiden und keine Perspektiven mehr haben.

Der Finanzmarkt-Kapitalismus ist gescheitert, ebenso wie der Staats-Sozialismus vor 40 Jahren in den Ländern Osteuropas. Wir können es uns nicht länger leisten, dass die Werte, die von der Realwirtschaft erwirtschaftet werden, von den Investment-Managern in den Finanzzentren der Welt abgeschöpft werden und folglich nur ein paar wenigen Aktionären nützen, nicht aber der Allgemeinheit. Diese muss sich permanent weiter bei den Banken verschulden und dieser Schuldenstand hat mittlerweile eine geradezu theoretische Dimension erreicht. Es ist an der Zeit, dieses durch und durch korrupte Zockersystem von Grund auf zu reformieren.

Es ist auffallend, dass die Börsen momentan nicht etwa so leiden wie die Realwirtschaft, die mit dem Rücken an der Wand steht und nur noch mit dem Tropf „Kurzarbeit“ am Leben erhalten wird. Nein, an den Börsen wird so viel Geld verdient wie seit 40 Jahren nicht mehr. Der Bitcoin schießt durch die Decke und an den Finanzmärkten reibt man sich bereits die Hände angesichts der Perspektive, dass man sich ein großes Stück vom Kuchen des EU-Rettungsprogramms von 750 Milliarden Euro abschneiden kann. Hier zeigt sich die ganze Perversion dieses Systems – warum müssen ausgerechnet Banken und Investment-Bänker von einem Hilfsprogramm profitieren, mit dem Länder unterstützt werden sollen, die besonders unter der Corona-Krise leiden? Diese Länder brauchen das Geld, um Sozialkosten stemmen zu können, um staatliche Investitionsprogramme zu lancieren, mit denen Arbeitsplätze gesichert und/oder geschaffen werden können – doch ein Teil dieser Gelder wird auf den Konten von super-reichen Investoren landen. Und das kann wirklich nicht der Sinn von Hilfsprogrammen sein.

Jeder sieht, was an den Börsen geschieht, jeder bekommt mit, wo das Geld landet, mit dem man unsere Volkswirtschaften retten könnte. Doch scheinen sich alle damit arrangiert zu haben, dass es eben so ist, wie es ist. Aber eine Volkswirtschaft muss mehr sein als eine „Goldgrube“ für ein paar Privilegierte – und genau deshalb müssen die Verantwortlichen endlich den Mut haben, dieses Finanzsystem grundlegend zu reformieren. Dies liegt auch in ihrem eigenen Interesse – denn wenn sie selbst dieses System nicht verändern, wird es eines Tages gewaltsam von außen verändert werden. Denn Korruption als Staatsräson hat keine langfristige Perspektive. Je früher sich diese Erkenntnis durchsetzt, desto besser für alle.

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