Tanz über den Fluren der Macht (4/6)

Willkommen im Europaparlament - wer sich auf den Fluren der Macht begegnet, begibt sich in eine Auseinandersetzung. Ausgetragen wird sie in einer repräsentativen Demokratie mit den Mitteln der Kommunikation – oder auf Fachidiotisch, der Politolinguistik.

Manchmal ist es geboten zuzuhören. Auch, wenn nicht wirklich viel zu hören ist. Denn diese Einbahnstraßenkommunikation ist Teil der politischen Kommunikation. Wenn nicht sogar ihr wesentlicher. Selbst, wenn darin so gut wie nie etwas Wesentliches gesagt wird. Foto: © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Nun ist es an der Zeit, über eine zweite spezielle Sorte Mäuse zu sprechen, die in der politischen Kommunikation eine gewichtige Rolle spielt: „Ohne sie wäre all der parlamentarische Betrieb nichts“. Was natürlich nicht stimmt, selbst wenn die Parlamentspräsidentin beim Neujahrsempfang, den sie für diese spezielle Sorte Mäuse alljanuarlich in einem kargen Hinterzimmer des Straßburger Amtssitzes ausrichtet, es exakt in diese Worte fasste. Wohl um auszudrücken, dass man sich im Parlament ja munter den Mund fusselig reden kann, was aber kaum Sinn machte, wenn es dann draußen niemand zu hören kriegt.

Wir müssen also reden über die Journalisten und ihre Rolle in dem Spiel um die politische Rede. Es heißt ja, sie seien die eigentlichen Kommunikationsprofis – aber ehrlich, wenn man sich so umschaut im mittelweiten Rund des Pressekonferenzsaals in den Straßburger Parlamentskatakomben und dabei der Blick schließlich auch noch auf einen selber fällt… nun ja, oft verlässt man nach einer Fragerunde den Saal mit dem Gefühl, es werden darin eigentlich gar keine Fragen gestellt, sondern lediglich Stichworte für politische Monologe geliefert.

Pressekonferenzen sind Kommunikation über Bande. Wer eine Frage stellt, sollte sich gar nicht erst einbilden, eine Frage zu stellen. Und wer eine Frage stellt, die über die Banden des abgesteckten Spielfelds hinausgeht, und dann noch die Chuzpe hat, eine Antwort zu erwarten, der hat das Spiel nicht kapiert. Der Ärmste glaubt wohl noch, die in den Raum gestellten Fragen hätte irgendeine Bedeutung. Der verlässt den Saal wohlmöglich noch mit dem Gefühl, er hätte den Moment verpasst, seine wirklich wichtige Frage zu stellen: jene Frage nämlich, die das Thema auf eine andere Ebene hievt, die die wahren Zusammenhänge der Dinge offenlegt, die endlich Klarheit bringt über die Hindernisse, die einer Lösung im Weg stehen: also über die eingefahrenen Denkschemata, die jeden anderen Ansatz des Umgang mit dem Problem undenkbar machen.

Ach wie goldig, all den Tiefsinn von der politischen Kommunikation zu erwarten. Auch noch auf einer Pressekonferenz. Das schafft man ja nicht einmal in den allabendlichen TV-Zerlabershows. Und diese Feststellung ist nicht despektierlich gemeint. Denn hier wie dort vollzieht sich nun einmal der spielerische Teil der Politik. Was auch nicht despektierlich gemeint ist, denn zwangsläufig ist alles, was sich auf der öffentlichen Bühne abspielt, immer auch ein Spiel. Und im Spiel ist bekanntlich alles erlaubt, sogar Themen zu setzen, die eigentlich keine sind, nur um von den Zusammenhängen abzulenken, die dem Themenversetzer selbst zu verknotet erscheinen, um sie aufdröseln zu können.

Nur um eines möchten wir, die Bürger, die meist zum Zuschauen verdammt sind, unsere Vertreter auf der großen Bühne bitten: den permanenten Hinweis, dies und das sei zu komplex, um es in den gängigen Formaten des Öffentlichen erfassen zu können, dann ebenso fallen zu lassen. Denn könnte es nicht doch sein, dass die wahre Komplexität in dem Hinweis auf Komplexität steckt? Vielleicht verhindert ja erst dieser abschreckende Hinweis die gelungene Kommunikation über die tatsächlichen Zusammenhänge der Dinge.

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