Theresa May organisiert eine seltsame After-Party

Nach den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge, sorgt Theresa May für ein böses Erwachen. Am 29. März zieht sie § 50 der Europäischen Verträge und leitet den Brexit ein.

Die Europäerinnen und Europâer wollen mehr Europa - und die Politik versagt jämmerlich... Foto: March for Europe

(KL) – Nachdem am 25. März der 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge gefeiert worden sein wird, holen uns schon wieder die europäischen Realitäten ein. Denn nur vier Tage später wird die britische Premierministerin Theresa May in Brüssel offiziell § 50 der Europäischen Verträge ziehen und damit den Brexit einläuten.

Die Party in Rom wird vom bevorstehenden Brexit nachhaltig getrübt werden. Man wird sich in Rom daran erinnern, dass am 25. März 1957 Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande die Verträge unterzeichneten, mit denen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) gegründet wurden und in denen festgelegt wurde, dass diese Gemeinschaft über Organe wie ein Parlament, einen Gerichtshof und einen Wirtschafts- und Sozialausschuss verfügen soll – alles Dinge, die dann auch umgesetzt wurden.

Natürlich muss man kritisch sein und festhalten, dass sich die Institutionalisierung Europas heute anders darstellt, als ursprünglich von den Gründungsvätern Europas gewollt. Dass die Europäische Union in ihrer intergouvernementalen Ausrichtung mit dem anachronistischen Prinzip der Einstimmigkeit heute nicht mehr funktioniert, das sieht jeder. Und dennoch ist nicht die europäische Idee falsch, sondern deren technische Umsetzung in einem Sumpf aus Interessenskonflikten, Korruption und einer Bürokratisierung Europas, die leider auch die europäische Idee immer weiter von den Menschen entfernt. Doch deshalb sollte man nicht, wie die Briten, gleich das europäische Kind mit dem Bad ausschütten.

Am Wochenende wird in Rom gefeiert, zahlreiche Initiativen und Gruppen haben sich in Rom verabredet, um dort zu bekräftigen, dass die europäische Idee sehr wohl sehr lebendigt ist. Doch nach der Party wird es alles andere als gechillt, wenn am 29. März Theresa May den Startschuss zur Demontage des institutionalisierten Europas gibt.

Dabei hat Theresa May vor, den bestmöglichen Deal für Großbritannien herauszuholen. Öh, welchen Deal, bitteschön? Die Briten wollen tatsächlich die EU verlassen und nehmen in Kauf, dass sich Schottland aus dem Vereinten Königreich verabschieden könnte, dass die irische Frage wieder auflodert und dass sich sogar Wales Gedanken über seinen Verbleib in Großbritannien macht – und das ist, leider, Sache der Briten. Nur – es wird nicht viel zu verhandeln geben, außer der europäischen Forderung nach der Rückzahlung der „Thatcher-Rabatte“ in Höhe von 60 Milliarden Euro, die London natürlich nicht zahlen wird. Ansonsten kann Großbritannien nicht viel fordern – was denn auch? Völlig ausgeschlossen ist die Option, von der Theresa May träumt, nämlich die Vorteile der EU zu nutzen, idealerweise sogar die Geschicke der Union mitbestimmen, ohne sich an irgendetwas zu beteiligen. Nur, das kann Theresa May vergessen – denn die Isolation, in die sie ihr Land führt, ist umfassend.

Theresa May hat für die auf zwei Jahre angesetzten Verhandlungen nichts anzubieten. Was denn auch? Europa wird eben ohne die Briten weitermachen und es gibt keinen Grund, warum man London irgendwelche Geschenke machen sollte.

Mit dem Brexit endet auch eine Entwicklung, die in Rom vor 60 Jahren ihren Anfang genommen hat. Schade ist vor allem, dass die ersten Reaktionen auf das unglückselige britische Referendum vom 23. Juni 2016 so schnell wieder verpufft sind. Einstimmig erklärte das politische Europa am 24. Juni 2016, dass nun die Zeit für tiefgreifende Reformen der Europäischen Union gekommen sei – doch bislang gibt es weder Arbeitsgruppen, noch einen politischen Willen zu solchen Reformen, den Damen und Herren in den europäischen Schaltzentralen geht es zu gut, als dass sie Lust hätten, irgendetwas zu verändern.

Doch die europäische Vogel-Strauß-Taktik wird nicht funktionieren. Trotz des Brexits so weitermachen wie bisher, das geht einfach nicht. Nur, mit dem aktuellen Personal der europäischen Institutionen wird das nicht funktionieren. Bleibt als letzte Hoffnung für Europa – 2019. Wenn das neue Europäische Parlament gewählt wird, ist es an uns Europäern, die Reformen selbst herbeizuführen, indem wir diejenigen aus dem Parlament herauswählen, die uns diese Suppe eingebrockt haben.

Die Party in Rom wird einen bitteren Beigeschmack haben und Theresa May wird in die britische und europäische Geschichte als diejenige eingehen, die sowohl der britischen Insel als auch Europa einen unüberschaubaren Schaden zugefügt haben wird. Insofern sind die kommenden Tage für Europa alles andere als ein Anlass zum Feiern und zum Jubeln – 60 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge ist die Europäische Union am Ende der Sackgasse angekommen. Und niemand ist da, der Europa aus dieser Sackgasse wieder herauszuführen bereit ist.

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