Tränen, nichts als Tränen…

Die Spirale der terroristischen Gewalt in Frankreich hält an. Das Attentat in der kleinen Kirche von Saint-Etienne-du-Rouvray schockt das ganze Land. Und wie immer trauert Deutschland mit.

Frankreich hat keine Zeit mehr, seine Tränen zu trocknen - ganz Europa muss jetzt gemeinsam gegen den Terror zusammenstehen. Foto: Vassil / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der feige Angriff von zwei Terroristen im normannischen Saint-Etienne-du-Rouvray hat Frankreich bis ins Mark erschüttert. Der grausame Mord an dem 86jährigen Priester Jacques Hamel in seiner Kirche hat etwas Symbolisches, stellt einen Angriff auf die Werte Frankreichs und ganz Europas dar, und könnte der Tropfen sein, der nach den Anschlägen von Paris im Januar und November 2015, sowie in Nizza vor wenigen Tagen, das Fass zum Überlaufen bringen könnte. Ein unglaublich tiefer Riss geht durch Frankreich und es sieht so aus, als solle die Taktik der feigen Terroristen aufgehen – sie wollen das Land spalten und diese Spaltung könnte nun stattfinden. In Frankreich leben, je nach Schätzung, zwischen 3,5 und 9 Millionen Moslems und die Tatsache, dass sich die Terroristen zum „Islamischen Staat“ bekennen, löst Spannungen aus, die das Land gerade in ein Pulverfass verwandeln.

Angesichts der Frequenz der Anschläge ist kaum noch Zeit für Trauer und das Gefühl, dass jederzeit und überall etwas passieren kann, versetzt die Menschen in Angst und Schrecken. Wie sich das anfühlt, haben wir ansatzweise letzte Woche in Deutschland erfahren. Ansatzweise, denn das, was in Frankreich passiert, findet auf einer ganz anderen Ebene statt als die Anschläge von Würzburg und Ansbach.

Die Menschen fordern Maßnahmen. Nur wie sollen solche Maßnahmen aussehen? Das weiß niemand, doch eines scheint immer klarer zu werden – die Schlüsselrolle wird den französischen Moslems zukommen. Diese werden selber aktiv daran mitwirken müssen, die Wurzeln der Radikalisierung in ihren Gemeinden auszugraben, radikale Prediger an die Behörden zu übergeben und sie werden selber ein Auge darauf haben müssen, welche ihrer Mitglieder radikale Tendenzen an den Tag legen.

Doch selbst das wird nicht ausreichen und so schlimm es ist, es bleibt der schlimme Gedanke, dass es die 100 % Sicherheit nicht gibt und nicht geben wird. Nicht nur weitere Anschläge müssen jetzt verhindert werden – man kann den Franzosen nur wünschen, dass sie sich jetzt nicht selbst in einen Bürgerkrieg hinein reden, der jedes vorstellbare Maß sprengen würde. Und man muss den Franzosen JETZT helfen, indem man in ganz Europa die radikalen Basen trockenlegt, radikale Kräfte isoliert und durch enge europäische Zusammenarbeit dafür sorgt, dass Terroristen nirgends logistische Unterstützung mehr finden, in keinem europäischen Land. Denn das, was heute in Frankreich passiert, ist unser aller Problem. Bei dessen Lösung wir Frankreich mit allen Mitteln helfen müssen.

2 Kommentare zu Tränen, nichts als Tränen…

  1. Der französische Psychiater und Anthropologe Richard Reichmann spricht in einem Interview mit der Zeitschrift TELERAMA (Nr.34, 27.7.16) nicht mehr von Terrorismus, sondern von entterritorialisiertem Genozid. Daech will die Welt “reinigen”. Dabei sind die sogenannten “Soldaten” außerhalb des direkten Einflussgebiets der Organisation Erfüllungsgehilfen. Zur Kriegsstrategie von Daech gehört die Ausnutzung der westlichen Medien, die umfassend über die Massenmorde berichten: je mehr berichtet wird, vor allem über die Identität der Mörder, desto erfolgreicher ist die Kommunikation. Auf diese Weise würden nämlich immer wieder neue “Berufungen” geweckt. Für Reichmann ist nicht die Hoffnung auf zukünftige Erfüllung (die 72 versprochenen Jungfrauen etc.) die Motivation der Täter, sondern die Hoffnung auf einen Moment der “Glorifizierung”: Die Attentäter finden ihre Erfüllung, indem sie diesen Moment der Mediatisierung ihrer Person in einer Form narzisstischen Genießens antizipieren. Deshalb schlägt er vor, die Täter zu ent-heroisieren: nicht die Identität der Täter bekannt geben, weder ihren Namen nennen noch Details aus ihrem Leben. Ohne die westlichen Medien gebe es keine Glorifizierung, die antizipierend genossen werden könnte, und nur die Aussicht auf einen anonymen Tod. “Il faut décréter, et le dire haut et fort, que ces soldats mourront ici dans l’oubli le plus total, pour créer le doute dans la tête des candidats au martyre, et leur faire entrevoir le néant d’une mort anonyme”.

  2. Exzellent ! Es gibt eine entsprechende Petition an den französischen Presserat, die fordert, Attentäter nicht mehr namentlich zu nennen und nicht über deren Hintergründe zu berichten, um genau das zu verhindern, was Sie beschreiben. Terroristen dürfen nicht zu “Stars” gemacht werden!

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