Träume von einem neuen Russland
Am Samstag demonstrierten Russen vor dem russischen Konsulat in Straßburg. Allerdings nicht diejenigen, die gerne ein „Z“ tragen, sondern diejenigen, die gegen den Putin'schen Krieg sind.

(KL) – Am Freitag demonstrierten in Straßburg, ebenso wie überall in der westlichen Welt, viele Menschen, um ihrer Solidarität mit dem ukrainischen Volk Ausdruck zu verleihen. Am Samstag dann fand eine deutlich kleinere Demonstration in Straßburg statt, die insofern bemerkenswert war, da die Demonstranten Russen UND Putin-Gegner waren. Dabei wurde auch eine Fahne gezeigt, die das „neue Russland“, also das Russland nach Putin symbolisieren soll.
Weiß-Blau-Weiß, so soll die Fahne des „neuen Russlands“ aussehen. Damit würde das Rot aus der russischen Fahne verschwinden und zwar deshalb, so die Erklärung einer Demonstratin, weil das Rot heute nicht mehr wie ursprünglich für „Mut und Tapferkeit“ steht, sondern für das Blut, das Russland in seinem fürchterlichen Bruderkrieg in der Ukraine vergießt. „No more blood“, stand auf einer der Fahnen, die vor dem russischen Konsulat hochgehalten wurde.
So ähnlich wie die Russen, die heute im Ausland leben, müssen sich 1939 Deutsche gefühlt haben, die damals im Ausland lebten. Doch die Demonstranten in Straßburg zeigten mit dieser Fahne, dass sie nicht nur Putins Angriffskrieg verurteilen und komplett ablehnen, sondern auch, dass sie heute schon an die Zukunft Russlands denken. Und dabei träumen sie von einem völligen Richtungswechsel, den eben diese Fahne symbolisieren soll.
Auf der russischen Fahne, die in Rot-Weiß-Blau, also den panslawischen Farben gehalten ist, haben die Farben natürlich eine Bedeutung. So steht das Rot für Vaterlandsliebe, Mut und Tapferkeit, das Weiß für Glaube und Edelmut und das Blau für Hoffnung und Ehrlichkeit. Nachdem das „Rot“ sich seit Jahren in erster Linie durch Kriege und Gewalt äußert und von immer mehr Russen als Symbol des Bluts verstanden wird, möchten diejenigen, die sich so dringend das Ende dieses Krieges wünschen, dieses Rot aus der Fahne des „neuen Russlands“ streichen.

Das “neue Russland” und die Ukraine – künftig wieder Brüder? Foto: eurojournalist(e) / CC-BY 2.0
Selbst in Straßburg ist es für russische Bürgerinnen und Bürger alles andere als ungefährlich, gegen Putin und für Frieden und gar für ein „neues Russland“ zu demonstrieren. Der Auslandsgeheimdienst Russlands beobachtet alles und die letztes Jahr erfolgten Gesetzgebungen Putins über „Russland-feindliche Propaganda im Ausland“ bedroht russische Staatsbürger, die sich dieses „Verbrechens“ schuldig machen, mit bis zu 15 Jahre Haft. So mag die Demonstration am Samstag kleiner gewesen sein als die am Freitag, doch am Samstag demonstrierten Menschen, die für ihre klare Stellungnahme ein echtes Risiko eingehen.
Während man nun einerseits den Menschen in der Ukraine helfen muss, dass es möglichst schnell zu Waffenstillstand und Verhandlungen kommt, sollte man auch diese mutigen Russen unterstützen, die ein „neues Russland“ fordern und sich nichts sehnlicher wünschen, als dass das Morden, Vergewaltigen und Zerstören endet. Dass dann, irgendwann, auch ein neues Russland den Weg zurück in die Staatengemeinschaft finden muss, ist klar. Damit dieses „neue Russland“ entstehen kann, werden auch diese mutigen Russen, von denen es auf der ganzen Welt und auch in Russland etliche gibt, nach Kräften unterstützt werden müssen. Der Weg dorthin mag weit sein, doch muss er früh geplant werden. So, wie es General de Gaulle tat, als er Weihnachten 1940 in London davon sprach, dass man eine Zukunft Europas erdenken muss, die auch Deutschland einschließt.
Es wird eine Zeit nach Putin und eine Zeit nach diesem Krieg geben, auch, wenn das alles noch weit weg erscheint. Da ist es ermutigend, dass es denkende Russen gibt, die bereits heute überlegen, wie dieses „neue Russland“ als friedlicher Partner der Weltgemeinschaft aussehen kann. Dank an jeden einzelnen Demonstranten, der am Samstag den Weg zum russischen Konsulat fand.
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