Trolle im Netz der Liebe – „Peer Gynt“ in der Rheinoper

In Zeiten klammer Kassen drängt sich der Oper ein ohnedies schon auf sparsame Bühneneffekte gerichtetes Musikschauspiel geradezu auf. Davon gibt es kaum ein anrührenderes als die norwegische Saga über Peer Gynt mit der Musik von Edvard Grieg, das an diesem Wochenende dreimal in der Straßburger Rheinoper vornehmlich zu hören sein wird.

Wer kennt das nicht, alle zerren - bleib, komm, doch plötzlich haut das umworbene Objekt einfach ab... Aber das ist nicht das Ende der Geschichte. Seit 1876, als diese Aufnahme von der Erstaufführung entstand, behauptet sich der Gernegroß Peer Gynt gegen die Trolle, nicht aber gegen die Kraft der Liebe. Foto: Hans Holtermann Abel / Wikimedia Commons / PD

(Michael Magercord) – Von Trollen haben wir alle schon gehört, auch wenn wir sie nicht zu sehen bekommen. Sie lassen sich aber erahnen, sobald sie ihr hinterhältiges Spiel mit unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit spielen, um uns im Namen finsterer Mächte den letzten Verstand zu rauben. Nichts als Verwirrung wollen und sollen sie stiften, und ach, sie scheinen damit immer wieder Erfolge zeitigen zu können – und zwar ganz besonders hier, im Internet.

Aber Trolle sind ja nicht erst seit der Erfindung der Fake News allenthalben aktiv. Im hohen Norden Europas leben sie schon seit Menschengedenken in der weiten Wildnis aus kühnen und kühlen Bergen und Täler, die sich am Meer zu Fjorden formen. In das Reich der Trolle hatte sich vor vielen Jahren ein besonders verwegener Mann verirrt, der selbst so einigen Unfug in seinem noch sehr jungen Leben verzapft hatte.

Peer Gynt wuchs in einem kleinen norwegischen Örtchen auf und ging schon seiner Mutter mit dem Gerede, unbedingt eines Tages Kaiser werden zu wollen, auf die Nerven. Allerdings vermochte er so manche seiner Mitmenschen mit seinen ersonnenen Geschichten von Abenteuern aus der fernen Welt zu umgarnen. Aber wie das so ist, wenn eingebildete Heldentaten plötzlich den Drang zu wahren Taten hervorrufen, kam er auf die blöde Idee, eine Braut an ihrem Hochzeitstag zu entführen. Nun reichte es den bis dahin gutwilligen Zuhörern und sie schritten selbst zur Tat. Nur knapp entkam der Aufschneider der Lynchjustiz.

Nun war er also über die Gefahren der Übertragbarkeit von virtueller Prahlerei und Vorspielerei in die Wirklichkeit aufgeklärt. Doch seine Flucht führte ihn ausgerechnet zu den Trollen, bei denen man ja gar nicht weiß, in welcher der beiden Welten sie wirklich leben. Wohl in beiden zugleich? Sich ihnen zu widersetzen ist jedenfalls gar nicht so leicht. Wieder geht es um ein Mädchen, dieses Mal aber ist er es, der unter die Haube gebracht werden soll, und zwar ausgerechnet unter jene der Tochter des Königs der Trolle. Doch noch Kaiser werden? Aber nicht hier, nein, im letzten Augenblick gelingt es auszubüchsen aus der Zwischenwelt.

Wohin? In die Realität? Nein, in die Arme einer liebenden Frau. Aber auch dann hat das Irren kein Ende. Die Seelenaufkäufer lauern weiter auf Beute, obwohl doch Peer Gynt selbst meint, ihnen nichts zu bieten zu haben: Er gleiche einer Zwiebel mit vielen Hüllen, sei jedoch ohne Kern. Am Ende kommt im hohen Alter doch noch die Rettung und der Sinn des Seins erschließt sich dem scheinbar in der Welt der Einbildung verloren Umhertreibenden. Wodurch? Durch die Bewahrung der Vorstellung vom tatsächlichen Wesen des Getriebenen im Herzen der Liebenden – und mag diese Vorstellung von einer letztlich eben doch gutmütigen Welt im übertragenen Sinne nicht sogar ein Antidot gegen die bösen Absichten der modernen Trolle sein?

Die tragische Geschichte und ihr anmutiges Ende wurde vom norwegischen Nationalschriftsteller Henrik Ibsen als dramatisches Gedicht erdacht, Landsmann Edvard Grieg wurde mit der Vertonung beauftragt. Der tat sich anfänglich sehr schwer mit der Saga, sah sich aber bald als der richtige Mann für diesen, wie seine Frau schrieb, „verhexten und durch und durch von norwegischem Geist durchtränkten Stoff“.

Daraus geworden ist ein Zwischending aus Schauspiel und Musiktheater mit Arien, Chören und instrumentalen Intermezzi. Bereits vor fünfundzwanzig Jahren hat der heutige Direktor der Rheinoper Alain Perroux eine Konzertfassung daraus konzipiert, die die Straßburger Philharmonie zusammen mit Schauspielern und Sängern darbieten wird – auf dass die Trolle sich wenigstens auf der Bühne trollen mögen.

Peer Gynt
Musikschauspiel von Edvard Grieg aus dem Jahr 1876

Dirigent: Aziz Shokhakimov
Musik: Philharmonie Straßburg OPS

Opéra Straßburg

FR 14. Februar, 20 Uhr
SA 15. Februar, 20 Uhr
SO 16. Februar, 15 Uhr

Tickets und Information: www.operanationaldurhin.eu

Weitere Veranstaltungen der Rheinoper Straßburg:

Ballett – William Forsythe

Drei Choreografien vom amerikanischen Altmeister, der lange in Frankfurt wirkte, wo diese Stücke auch ihre Erstaufführung erfuhren. Der Modernisierer des klassischen Balletts ist bereits selbst ein Klassiker.

DO 27. Februar bis 2. März in Straßburg
FR 14. und SO 16. März in Mülhausen

Lyrische Stunde – Koreanische Lieder

Ein besonderes Programm zur frühen Mittagsstunde: Vier Sänger des Chores der Rheinoper aus Korea bieten Lieder aus ihrem Heimatland – vom tradierten Volkslied bis ins Heute.

SA 8. März, 11 Uhr, Salle Bastide, Oper Straßburg

La Traviata – Oper von Giuseppe Verdi

Die folgende Opernaufführung – dann wieder im vollen Ordinat – ertönt, wenn es bereits Frühling ist.

Ab MO, 24. März sieben Mal in Straßburg, Mitte und Ende April in Colmar und Mülhausen

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