Trotz Regen und Oktober-Temperaturen…

… erhält die französische Protestbewegung gegen die von der Regierung verhängten Maßnahmen immer mehr Zulauf. Und die Proteste werden sich weiter intensivieren.

Strasbourg, Colmar, Mulhouse (Foto), Sélestat - die Proteste nehmen auch im Elsass nicht ab. Foto: C. Schlicklin / EJ / CC-BY 2.0

(KL) – Am Samstag hat Präsident Macron Glück gehabt, dass das Wetter derart lausig war. Und dennoch ging die Teilnahme an den landesweiten Protesten gegen die Covid-Maßnahmen, die ab morgen, Montag, den 9. August greifen werden, nicht zurück. Trotz Regen, trotz kühler Temperaturen. Entgegen dessen, was zahlreiche Medien der „Präsidentenpresse“ verkünden, besteht diese Protestbewegung nicht aus Black Blocks, „Gelbwesten“, Schlägern und Hooligans, sondern nach wie vor aus ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern. Auch in den Städten des Elsass werden die Proteste nicht weniger.

Es regnete gestern vielerorts in Frankreich, bei Temperaturen, die eher in den späten Oktober als den frühen August passen. Und dennoch gingen sehr viele Franzosen erneut auf die Straße, um gegen die Covid-Maßnahmen der Regierung zu protestieren. Impfzwang für Pflegekräfte, Sanitärer Pass in Restaurants, Cafés und auf den Terrassen, keine Zug- und Flugreisen mehr ohne Sanitären Pass. Dabei sind die Proteste vielstimmig und es ist relativ schwierig, klare Positionen auszumachen, beziehungsweise die verschiedenen Positionen zu unterscheiden.

Gemeinsam ist den meisten Demonstranten, dass sie a) den Sanitären Pass ablehnen, b) den Impfzwang für Pflegekräfte ablehnen und c) sich den Rücktritt von Präsident Macron wünschen. Neben diesen Forderungen, die keine Chance auf Umsetzung haben, demonstrieren verschiedene Gruppen und Menschen auch gegen die Impfung selbst, andere gegen Covid-Maßnahmen wie Maske und Barriere-Gesten allgemein und dann gibt es auch noch eine Handvoll Extremisten, die meinen, sich vor diese gerade entstehende Protestbewegung spannen zu können. Dies stößt bei der großen Mehrheit der Demonstranten allerdings auf wenig Zustimmung – die meisten Protestler wehren sich gegen eine „parteipolitische Übernahme“ ihres Anliegens.

Die medialen und administrativen Zahlenspiele, ob es nun so viele oder so viele Demonstranten waren, sind wenig zielführend. Es ist offenkundig, dass diese Proteste nicht an Zulauf verlieren und dass der Bruch, der mitten durch die französische Gesellschaft verläuft, von Wochenende zu Wochenende tiefer wird.

Befeuert wird diese Entwicklung von der Regierung, die durch diese Spaltung der Gesellschaft hofft, die Geimpften (die in Frankreich wie anderswo eine knappe Mehrheit bilden) auf seine Seite zu ziehen, indem er sie gegen die Nicht-Geimpften aufhetzt. Letzte Woche erklärte Macron, dass die Impfung ein „patriotischer Akt“ sei, was bedeutet, dass Zweifeln, Fragen und Demonstrieren „unpatriotisch“ sind. Das klingt schon reichlich nach Donald Trump und eigentlich wäre es Aufgabe eines Präsidenten, seine Bevölkerung angesichts einer nicht unerheblichen Bedrohung zu einen, statt verschiedene Bevölkerungsgruppen aus wahltaktischem Kalkül gegeneinander aufzuhetzen.

Am nächsten Samstag dürften die Proteste an Intensität deutlich zunehmen. Denn dann haben die Franzosen konkret die erste Woche der neuen Maßnahmen und deren Auswirkungen erlebt und sollte dann auch noch das Wetter weniger herbstlich sein als am Samstag, dürfte der Zulauf zu den überall in Frankreich stattfindenden Demonstrationen deutlich steigen.

Ob die öffentliche Geringschätzung, Stigmatisierung, Beleidigung und Ausgrenzung von Impfzweiflern eine Möglichkeit ist, diese von den Wohltaten der Impfung zu überzeugen, ist mehr als zweifelhaft. Ebenso zweifelhaft wie die Frage, ob öffentliche Geringschätzung, Stigmatisierung, Beleidigung und Ausgrenzung von Geimpften diese dazu veranlasst, sich gemeinsam für die Freiheit der Entscheidung zu engagieren, ob man sich nun impfen lässt oder nicht.

Nach wie vor brodelt es in Frankreich und viele Beobachter machen sich große Sorgen, wie diese Entwicklung weitergeht, wenn die Ferienzeit Ende August vorbei ist und die Menschen konkrete Erfahrungen mit einer Situation gemacht haben, in der ungefähr ein Drittel der Bevölkerung nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Die Situation in Frankreich ist und bleibt explosiv.

1 Kommentar zu Trotz Regen und Oktober-Temperaturen…

  1. Ярослав // 11. August 2021 um 3:06 // Antworten

    Nach dem September zeigte sich auch der Oktober 2019 zu nass. Und das ist in Anbetracht der gro?en Trockenheit ausgangs des Sommers auf jeden Fall auch gut so. Die Sonnenanbeter unter uns hatten hingegen haufiger das Nachsehen. Denn die Sonne wurde eben uberdurchschnittlich oft von den Wolken verdeckt.

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