Trübes Wasser

Ein neuer Skandal erschüttert Frankreich – einige der führenden Mineralwasser sind seit Jahren unzulässig produziert worden. Mit dem Einverständnis der Regierung.

Worauf kann man sich eigentlich noch verlassen? Auf's Wasser auch nicht mehr so richtig... Foto: Joseph Blosser / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Vorweg: Wenn zwei Medien wie Le Monde und das öffentlich-rechtliche Radio France eine Untersuchung veröffentlichen, bei der es um einen Skandal geht, der den Lebensmittelgiganten Nestlé, verschiedene Regierungsstellen, den Elysee-Palast und vor allem die Gesundheit der Verbraucher betrifft, dann darf man davon ausgehen, dass die Untersuchung nach allen Regeln der Kunst erfolgt ist. Es geht um eine französische Institution, das Mineralwasser, das mit oder ohne Kohlensäure auf keiner Tafel fehlen darf.

Der Konzern Nestlé ist über seine Division Nestlé Waters unter anderem Besitzer der auch international vermarkteten Marken Vittel, Contrex oder Hépar, bei sprudelndem Mineralwasser ist Perrier eine Weltmarke des Konzerns. Die ersten drei Mineralquellen befinden sich in den Vogesen, Perrier wird im südfranzösischen Departement Gard produziert und abgefüllt.

Das Problem: Wo „Natürliches Mineralwasser“ drauf steht, nämlich bei den genannten Marken, muss auch natürliches und unbehandeltes Mineralwasser drin sein. Doch das ist seit geraumer Zeit nicht mehr der Fall – seit mindestens 2022, wahrscheinlich aber schon früher, wurden laut einem Bericht, der nicht öffentlich wurde, in den Nestlé-Quellen „nicht beherrschbare“ Spuren von Arsen (!) und anderes entdeckt, woraufhin spezielle Filter installiert wurden, mit denen allerdings nur 60 % des Wassers gefiltert wurden, während 40 % unbehandelt blieben. Doch in der Abfüllung wurden dann behandeltes und unbehandeltes Wasser wieder vermischt. Doch für natürliches Mineralwasser ist bereits dieses Filtern nicht zulässig und es stellt sich natürlich die Frage, was da eigentlich alles herausgefiltert werden muss.

In der Verwaltung des Gesundheitsministerium empfahl ein hoher Beamter, dem Konzern Nestlé sofort die zuvor auf höchster Ebene erteilte Betriebserlaubnis für diese Filteranlagen zu entziehen und Produktion und Abfüllung bis zur Behebung einer Liste von 20 Problemen in der Produktion zu verbieten. Diese Empfehlung wurde auf Regierungsebene ignoriert.

Daraufhin intensivierte Nestlé seine Lobby-Aktivitäten und die Untersuchung konnte ein Treffen von Nestlé-Vertretern im Elysée-Palast belegen, bei denen sie von Macrons Chefberater Alexis Kohler empfangen wurden. Bis zu einer Klage durch die NGO „Foodwatch“ ging das alles unbehelligt weiter, Nestlé warf nach dem Bericht der beiden Medien weiter Wasser in zumindest zweifelhafter Qualität auf den Markt und nun wird untersucht, ob diese Wasser sogar Viren-Träger oder anderweitig gesundheitsschädlich sind und/oder waren.

Die Reaktion der Politik war gestern erstaunlich. Präsident Macron sagte am Rande einer Veranstaltung, er habe von „diesem Ding“ keine Ahnung und noch nichts gehört, könne aber mit Sicherheit sagen, dass alles völlig korrekt abgelaufen sei. Etwas pikiert antwortete ein Sprecher des Präsidenten-Palasts, dass „es nicht Aufgabe des Präsidenten sei, zu Fragen der Wasserqualität Stellung zu nehmen“. Und auch Nestlé erklärte, dass alles im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften ablaufe.

Leidtragende sind die Kunden dieser Marken, denn wenn die Berichte stimmen, wovon man angesichts der Seriösität der beiden Medien Le Monde und Radio France ausgehen darf, trinken die Franzosen und wohl auch die Verbraucher in anderen Ländern ein so genanntes „natürliches Mineralwasser“, das gar nicht so natürlich und eventuell sogar gesundheitsschädlich ist, das Ganze unter dem wohlwollenden Auge der höchsten Regierungsstellen. Ja, woran kann man denn überhaupt noch glauben, wenn selbst diese Kultmarken gar nicht so kultig sind?

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