Ukraine – die Rechtslage

Von vielen Seiten wird gefordert, Sondertribunale für die russische Führung einzusetzen oder auch NATO-Truppen in den Kampf zu schicken. Aber wie ist die Rechtslage?

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine MUSS die EU nun eine Strategie entwickeln. Foto: Mvs.gov.ua / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Rufe nach Sondertribunalen für die russische Führung und vor allem Wladimir Putin werden wohl ungehört verhallen, da sich Putin unter keinen Umständen einem solchen Verfahren stellen wird. Dazu ist die Rechtslage zwar klar, aber das nützt nichts, solange das zugrunde liegende Rechtssystem nicht von allen Beteiligten anerkannt wird.

Die Europäischen Verträge geben keine Möglichkeit, dass Europa der Ukraine direkt militärisch hilft. Zwar sieht Artikel 42 Absatz 7 der Europäischen Verträge eine gegenseitige Beistandsverpflichtung vor, doch kann diese nur dann gezogen werden, wenn sie in Einklang mit Artikel 51 der UN-Charta steht. Und ohnehin ist diese Möglichkeit nicht aktuell, denn die Ukraine ist kein EU-Mitglied. Anders sähe die Situation aus, würde Russland (oder ein anderer Staat) ein EU-Mitglied wie Polen oder die baltischen Staaten angreifen.

Artikel 51 der UN-Charta unterstreicht das Recht auf Selbstverteidigung im Falle einer bewaffneten Aggression und das Recht der Verbündeten, dann auch militärisch einzugreifen. Im Falle der russischen Invasion in der Ukraine wäre dieser Fall durchaus gegeben, auch, wenn es keine offizielle Kriegserklärung gab. Doch Kriege werden bereits seit Jahrzehnten nicht mehr erklärt, sondern einfach geführt.

Bleibt Artikel 5 der NATO-Verträge, doch auch hier muss man sofort abbrechen, denn die Ukraine ist kein NATO-Staat und deswegen greifen die gegenseitigen Beistandsverpflichtungen nicht – im Gegenteil, würde die NATO mit eigenen Truppen in der Ukraine ins Kriegsgeschehen eingreifen, könnte sie selbst gegen diesen Artikel 5 verstossen.

Unter diesen rechtlichen Umständen ist nachvollziehbar, dass der ukrainische Präsident Zelensky alles daran setzt, dass die NATO einen aktiveren Part in der Ukraine spielt, denn sollte die NATO dies tun, lautet der Krieg nicht mehr Russland – Ukraine, sondern weitet sich zum III. Weltkrieg aus. Das dürfte auch der Grund sein, warum Zelensky seit Beginn des Kriegs alles auf die bilaterale Diplomatie konzentriert und die EU als Ansprechpartner weitgehend vermeidet.

Doch die ganzen Diskussionen um die Rechtslage bringen nicht viel. Wladimir Putin weiß natürlich ganz genau, dass seine Invasion in der Ukraine gegen das Völkerrecht verstößt, weswegen er es ja auch vermeidet, von etwas anderem als einer „militärischen Spezialoperation“ zu reden, denn wer „Krieg“ sagt, der impliziert auch die Einhaltung internationaler Regeln für solche Fälle und auch die Zahlung von Reparationen nach einem Krieg. Fakt ist, dass Putin auf internationales Recht pfeift, weswegen es nutzlos ist, den Ukraine-Krieg unter juristischen Aspekten zu betrachten.

Ob uns Europäern das nun passt oder nicht, man wird nicht umhin kommen, eine europäische Strategie für diesen Konflikt zu erarbeiten. Hierzu wäre es sinnvoll, das Amt des Außenbeauftragten der EU deutlich zu stärken, die bilateralen Absprachen einzustellen und die EU als einen der Akteure rund um den Ukraine-Krieg zu definieren. Sich einfach in den III. Weltkrieg treiben zu lassen, wird diesen Konflikt nicht beenden und unüberschaubare Folgen haben.

Nun ist also die europäische Politik gefragt, doch das ist nicht gerade beruhigend. In Europa kocht inzwischen jeder sein eigenes Süppchen, alle zusammen lassen sich von den Kriegsparteien in der Ukraine, aber auch von Erdogan und Orban am Nasenring durch die Manege führen. Es wird Zeit, dass die EU eine ganz klare Strategie entwickelt und diese konsequent einhält. Der bisherige Ansatz der bilateralen Diplomatie hat nichts gebracht und wenn ein System erfolglos bleibt, dann muss man es ändern. Es wird Zeit, dass man das auch in Brüssel versteht.

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