Ukraine – Russland und die USA tragen beide einen schwarzen Hut
(KL) – Wir sind größtenteils in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es in der Weltpolitik immer zwei Lager gibt: die Guten und die Bösen. Da wir zufällig im Westen geboren wurden, war klar, dass wir ins Lager der Guten, sprich der USA und ihrer Verbündeten gehören. Zwangsläufig wurden damit die anderen, also die Staaten des Warschauer Pakts unter Führung der UdSSR, zu den Bösen. So war es dann für eine gefühlte Ewigkeit.
Erste Risse sprangen in das Bild der „guten USA“, nachdem die Amerikaner der UNO gefälschte Beweise vorgelegt hatten, um einen Krieg im Irak zu rechtfertigen (naja, Risse in der jüngeren Zeit. Die USA haben seit dem II. Weltkrieg auf vielen Kontinenten Kriege geführt). Weitere Risse folgten in schneller Folge, zuletzt, als Edward Snowden die Welt informierte, dass die Amerikaner in bislang unerreichten Ausmaß die gesamte Welt bespitzeln, wobei es keine Rolle spielt, ob man sich im ehemaligen Lager der Guten oder bei den Bösen befindet.
Auch jetzt, im schwelenden Krisenherd Ukraine, ist die Rolle der USA unklar. Man mag zwar gar nicht den Gerüchten glauben, die Maidan-Revolution sei von den USA mit Milliardenbeträgen unterstützt worden (dann wären die Demonstranten auf dem Maidan vermutlich besser ausgerüstet gewesen), aber wissen tut das keiner. Was sofort die üblichen Schwarz-Weiß-Denker bei den Intellektuellen und, seltsam, in den Chefetagen der Großkonzerne, zu einer unerwarteten Solidaritätswelle mit Wladimir Putin hingerissen hat. Denn dort, wo es einen Bösen gibt (die USANATOEU), muss es ja zwangsläufig einen Guten geben. Da der geschasste Diktator Janukowitsch sich für diese Rolle nun wirklich nicht eignet, fliegen die neuen Sympathien ausgerechnet einem anderen Diktator zu, Wladimir Putin. Denn in jeder Geschichte muss es ja einen Guten geben.
Bevor sich die deutschen Industriekapitäne aber allzu gemütlich in Putins Enddarm einrichten, sollte man jetzt vielleicht einmal umdenken und verstehen, dass es in der Ukraine leider auf keiner Seite Helden mit weißen Hüten gibt – Putin und Russland sind keinen Deut besser oder schlechter als Obama / Kerry und die USA. Beide Seiten leben ihre geostrategischen Megalomanie-Phantasien auf dem Rücken des ukrainischen Volks aus und scheren sich wenig darum, ob sie die Welt in eine neue Großkatastrophe treiben. Dabei bedienen sich beide Seiten des kompletten Arsenals an psychologischer Kriegsführung und Desinformation, beide Seiten lügen wie gedruckt und der Rest der Welt sollte endlich aufhören nachzudenken, auf welche Seite man sich schlägt, denn beide Seiten verfolgen egoistische Ziele, die mit dem ukrainischen Volk wenig zu tun haben.
Daher sollte man sich auch nicht allzu viel von Gesprächen zwischen Lawrow und Kerry versprechen – beide Außenminister haben nur das Ziel, ihre eigene Position zu verbessern. Und beide haben den gleichen Dreck am Stecken. Während sich in Kiew bereits amerikanische Elitesoldaten aufhalten, fehlen den so genannten empörten „pro-russischen Kräften“ in Donezk selbst rudimentäre Ortskenntnisse – so besetzten diese „Kräfte“ aus Versehen das Opernhaus, bevor sie ihren Irrtum bemerkten und dann zum Rathaus zogen. Wobei sie lachend einräumten, dass sie schon auf der Krim dabei gewesen wären.
Was die Ukraine heute braucht, will man wirklich einen Bürgerkrieg mit Flächenbrand-Potential verhindern, ist zunächst ein von allen Seiten garantiertes Moratorium mit anschließender Verhandlung für die Einrichtung eines neutralen Staats, in dem die verschiedenen Bevölkerungsgruppen einen Modus Vivendi aushandeln können. Denn alles andere als eine neutrale Ukraine führt unweigerlich zu einer Aufsplitterung des Landes, zu neuen kriegerischen Auseinandersetzungen, die wohl Russland und den USA entgegen kämen, die Welt aber in eine neue Katastrophe stürzen könnten.
Es gibt nur eine einzige Organisation, die ein solches Moratorium glaubhaft durchsetzen könnte – die UNO. Alle anderen Organisationen haben zu starke Eigeninteressen und daher nicht die erforderliche Glaubwürdigkeit, um eine solche Atempause wirklich sicherstellen zu können.
Und plötzlich wacht man in einer Welt auf, in der eine wichtige Dimension fehlt – die Guten.
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