Unbemerkt gekommen, unbemerkt gegangen…

Nach vier Monaten voller haarsträubender Erzählungen über nordkoreanische Soldaten, die für Russland in Kursk kämpfen sollen, ändert sich nun das Narrativ.

Dieses Bild nordkoreanischer Soldaten stammt wie alle Bilder nordkoreanischer Soldaten - aus Nordkorea und keinesfalls aus Russland. Foto: Republic of Korea Armed Forces / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Gesehen hat sie noch niemand, fotografieren konnte sie niemand, filmen auch nicht, aber der ganze Westen „wußte“, dass 12.000 nordkoreanische Soldaten auf Russlands Seite gegen die Ukraine in der Region Kursk kämpften. Abgesehen davon, dass es technisch heutzutage unmöglich ist, 12.000 Soldaten aus Nordkorea unbemerkt in die westlich gelegene russische Region Kursk zu transportieren, waren die Reaktionen im Westen empört. Wenn Russland nordkoreanische Soldaten einsetzt, dann muss der Westen auch einen Gang hochschalten, wie es Präsident Selenskyi auch wochenlang in seinen abendlichen Videobotschaften forderte. Doch nun, da auch nach vier Monaten noch keinerlei stichhaltige Beweise für die Präsenz dieser nordkoreanischen Soldaten vorgelegt werden konnten, werden diese Nordkoreaner in den Erzählungen eben abgezogen. Weg sind sie also, die nordkoreanischen Kämpfer, genauso unbemerkt, wie sie gekommen sind.

Die „Informationen“ über diese nordkoreanischen Soldaten stammten aus zwei Quellen – dem ukrainischen und dem südkoreanischen Geheimdienst, die in diesen Kriegszeiten als „Informationsquelle“ ziemlich unglaubwürdig sind. Dass zunächst US-Medien und dann der Rest der westlichen Medien die „Meldungen“ über diese Nordkoreaner übernahmen, macht sie nicht glaubwürdiger. Die angeblichen Bilder von einer „Festnahme“ eines nordkoreanischen Soldaten mit verpixeltem Gesicht, bewiesen – nichts. Schade auch, dass eine Handvoll angeblich festgenommener Nordkoreaner noch vor ihrer Befragung über Nacht alle „eines natürlichen Todes“ starben und folglich nicht mehr auftauchten.

Dafür, dass niemand diese nordkoreanischen Soldaten gesehen hat, „wissen“ wir erstaunlich viel über diese Kämpfer. So „wissen“ wir, dass die nordkoreanischen Soldaten schlecht ausgebildet sind, wie die Löwen kämpfen, in Scharen angreifen und getötet werden und diejenigen Nordkoreaner, die von der ukrainischen Armee aufgespürt werden, entziehen sich ihrer Festnahme durch Selbstmord. Ja, so ist er eben, der Nordkoreaner.

Das wenige Bildmaterial, das es angeblich zum „Beweis“ der Präsenz dieser Soldaten gibt, ist entweder so verpixelt wie in den 80er Jahren, oder völlig nichtssagend, wie eine vollgekritzelte Seite aus einem angeblichen Tagebuch eines nordkoreanischen Soldaten. Die ungefähr an jedem Ort der Welt hätte hingekritzelt werden können und definitiv keinen „Beweis“ einer nordkoreanischen Präsenz darstellen.

Ebenso präzise wie die „Beweise“ für die nordkoreanische Präsenz in der Region Kursk sind die „Opferzahlen“. Da hätten sich der ukrainische Geheimdienst und der südkoreanische Geheimdienst besser abstimmen sollen – für die Ukrainer sind angeblich 3800 nordkoreanische Soldaten gefallen, für die Südkoraner 380. Bei der Abstimmung zu diesem Narrativ muss irgendwo eine 0 bei der Datenübertragung verloren gegangen sein. Vermutlich werden sich die US-Medien auf einen Mittelwert einigen…

Doch da sich inzwischen immer mehr Medien die Frage nach den Nordkoreanern stellen, sind diese im offiziellen Narrativ auf einmal abgezogen worden. Von heute auf morgen. Nicht mehr da. Natürlich gibt es auch von dem angeblichen Abzug abertausender Soldaten keinerlei Foto, Video oder sonst irgendeinen Beweis, niemand weiß, wohin diese immer noch rund 10.000 angeblichen Soldaten hingegangen sein sollen und in einer Zeit, in der den weltweiten Überwachungssystemen nichts entgeht, ist es mehr als erstaunlich, dass diese 12.000 Soldaten plus Ausrüstung völlig unbemerkt die 6.600 km von Nordkorea nach Kursk zurückgelegt haben und ebenso unbemerkt wieder verschwunden sein sollen.

Diese Nordkoreaner sollten den Westen dazu bewegen, in die nächste Eskalationsstufe des Ukraine-Kriegs einzusteigen und fast hätte das auch geklappt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Europäischen Parlaments, wollte schon 12.000 NATO-Soldaten nach Kursk schicken, wodurch die NATO aktiver Kriegsteilnehmer geworden wäre, was auch das Ziel Selenskyis war. Zum Glück verzichtete die NATO auf einen solchen Schritt, der für Europa fatal hätte sein können.

Die Geschichte um die angeblichen Nordkoreaner wird kein Game Changer in diesem Krieg sein, zeigt aber deutlich, dass man Selenskyi ebenso wenig wie Wladimir Putin trauen kann. Dem ukrainischen Präsidenten, der nicht einmal mehr in der Ukraine die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat, einfach blind hinterher zu stolpern, könnte den Westen noch sehr teuer zu stehen kommen. Wir sind im Krieg und im Krieg muss man jede „Information“ von allen Seiten prüfen. Stand heute gibt es keinerlei Beweis, dass sich tatsächlich nordkoreanische Soldaten in Kursk befinden oder befanden. Daher sollte man auch mit den Reaktionen auf solche Geschichten sehr vorsichtig sein und auch den westlichen Kriegstreibern genau auf die Finger schauen.

Erstaunlich ist allerdings, dass sich gestern Selenskyi in einem Interview bereit erklärt hat, sich mit Putin zu treffen, um Verhandlungen aufzunehmen. Dieses Angebot dürfte zwar eher als Signal an Donald Trump zu werten sein, dass Selenskyi bereit sei, diesen Krieg am Verhandlungstisch zu beenden. Zum aktuellen Zeitpunkt hat Putin wiederum nicht viel Grund, sich mit einem ukrainischen Präsidenten an den Tisch zu setzen, den der Kreml immer wieder als illegitim bezeichnet. Aber immerhin ist diese Erklärung von Selenskyi  ein erster Hoffnungsschimmer, dass dieser Krieg beendet werden kann.

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