Und das rheinische Herz blutet…

Nachdem noch am 11. November Hundertausende Jecken den Auftakt zum rheinischen Karneval gefeiert hatten, ist nun Schluss mit Lustig – die Sitzungen und Partys sind für dieses Mal abgesagt.

Solche Bilder wird es 2022 nicht vom rheinischen Karneval geben. Schade, aber so ist es nun mal... Foto: Nassauer27 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Landesregierung von NRW und auch die traditionellen Karnevalsvereine haben es gemeinsam beschlossen – der Karneval 2022 kann angesichts der pandemischen Lage nicht wie geplant stattfinden. Partys, Maskenbälle und die beliebten Karnevalssitzungen sind unter den gegebenen Umständen nicht organisierbar. Nicht einmal in „2G“ oder „2G+“. Nachdem sich erst vor wenigen Tagen, wieder einmal in Münster, eine „2G+“-Party in einen Cluster verwandelt hatte, stellten die Karnevalsvereine und die Landesregierung übereinstimmend fest, dass dieses Jahr eben „Sicherheit und Gesundheit oberste Priorität haben“. Was allerdings mit den Karnevalsumzügen ist, bei denen im Rheinland Hunderttausende entfesselter Jecken unterwegs sind, steht noch nicht fest. Es wäre allerdings der nackte Wahnsinn, diese zu erlauben.

Der Karneval ist ein Stück der rheinischen Seele. Ihn abzusagen, das ist fast undenkbar. Zu Zeiten der rheinischen Besetzung durch Napoleons Truppen, trauten sich die rheinischen Stadtoberen nicht, Napoleons Leuten auch nur zu widersprechen. Doch als der Karneval vor der Tür stand, marschierte eine tapfere Delegation von Honoratioren zum französischen Statthalter in Bonn und forderte das Recht auf Karneval ein. Besser noch: Sie kündigten den Besatzern an, dass sie im Falle einer Ablehnung keinerlei Garantie für das Wohlverhalten der Bürgerschaft übernehmen könnten. Die Drohung half und der Karneval konnte stattfinden.

Aber heute ist das Problem nicht die Besatzung durch Napoleons Truppen, sondern ein Virus, das die Welt seit zwei Jahren in Atem hält und dabei ständig neue Varianten erzeugt, gegen die dann auch die einzige bisher verfolgte Strategie des Impfens an ihre Grenzen stößt. Da sich allerdings bis zum Februar und der Karnevalszeit nicht viel an der pandemischen Lage ändern wird, ist diese (frühzeitige) Absage das einzig richtige Vorgehen.

Das Einhalten sanitärer Vorgaben wie Abstand, Maskenpflicht oder Körperkontakt vermeiden ist bei Karnevalsveranstaltungen nicht mehr als ein frommer Wunsch. Da nützt es wenig, dass alle diese Entscheidung bedauern und der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst sagt, dass es schade ist, dass ausgerechnet jetzt keine Möglichkeit besteht, von den Jecken „den Spiegel vorgehalten“ zu bekommen.

Und einmal mehr sieht man, dass wir in Europa keine Chance haben werden, dieses Virus zeitnah bekämpfen zu können. Während französische Fußball-Fans in vollen Stadien feiern und sich Zehntausende auf den Weihnachtsmärkten drängeln, hat man in Deutschland fast alles dicht gemacht. Folge: Zumindest kurzzeitig sinken die Inzidenzahlen leicht in Deutschland. In Frankreich, wo offenbar die Durchführung von kommerziellen Massenveranstaltungen höher eingeschätzt wird als die Volksgesundheit, explodieren die Zahlen gerade, was zwar logisch und vorhersehbar ist, doch die französische Regierung überrascht. So lange es nicht gelingt, Covid-Maßnahmen zu harmonisieren, so lange wird das Virus weiter wüsten. Es darf eigentlich nicht sein, dass Nachbarstaaten so unterschiedliche Maßnahmen treffen und dabei angeblich den gleichen „Fein“ bekämpfen.

Insofern – bravo den Karnevalisten für deren mutige Entscheidung, die Gesundheit der Menschen höher einzustufen als den Karneval. Und vielleicht sollte man sich in Frankreich angesichts der nun dort explodierenden Zahlen überlegen, ob man nicht ähnlich verfahren will. Denn wenn ein Nachbarland alles daran setzt, neue Cluster zu schaffen, das andere aber gegen solche Cluster Maßnahmen trifft und gleichzeitig die Mobilität zwischen diesen Nachbarländern aufrecht erhalten wird, dann darf sich niemand wundern, dass die Pandemie das tut, was sie gerade macht – einen Yoyo-Effekt in beiden Ländern generieren, die mal hohe, mal etwas niedrigere Inzidenzen aufweisen. Und das kann, wenn man sich nicht entschließt, endlich gemeinsam vorzugehen, noch Jahre so weitergehen…

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