Und die Diskussion geht von vorne los…
Erneut wird der Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg hinterfragt. Als Trostpflaster soll die bisher in London angesiedelte Europäische Arzneimittelagentur ins Straßburger Parlamentsgebäude einziehen.
(KL) – Als ob es diese Diskussion nicht schon ewig gäbe – die Kritiker des Sitzes des Europäischen Parlaments in Straßburg nutzen den „Brexit“ und die Wahl des neuen französischen Präsidenten, um wieder einmal einen Umzug des Parlaments nach Brüssel ins Gespräch zu bringen. Dabei nutzen die Initiatoren und zahlreiche Medien die gleichen Uralt-Argumente, die seit Jahren widerlegt sind.
Nein, liebe Kollegen und Kolleginnen der Presse, der Sitz des Europäischen Parlaments ist laut der Europäischen Verträge nicht Brüssel, sondern Straßburg. Und dafür gibt es Gründe. In erster Linie geht es um die demokratische Gewaltenteilung. Brüssel ist der Sitz der Europäischen Kommission und des Europäischen Rats; Straßburg ist der Sitz des Europäischen Parlaments und Luxemburg der Sitz des Europäischen Gerichtshofs. So steht es in den Verträgen und es wäre zwar für die rund 20.000 Lobbyisten, die in Brüssel ihr Unwesen treiben, sicherlich bequemer, wenn sie quasi alles in einer Hand vor Ort hätten.
Auch das so gern verwendete finanzielle Argument hat sich längst verbraucht. Zum einen stimmen die genannten Kosten des „Wanderzirkus“ nicht, sie betragen nicht 200 Millionen Euro im Jahr, sondern 100 Millionen und diese Kosten berücksichtigen nicht alles das, was der Parlamentssitz in Brüssel kostet. So fehlt bei dieser Zahl zum Beispiel die kleine Milliarde, mit der man die vor rund 20 Jahren so fehlerhaft gebauten Parlamentsgebäude in Brüssel sanieren will, während in Straßburg ein modernes und voll funktionsfähiges Parlamentsgebäude steht. Dazu, auch das liest und hört man nirgends, bietet Straßburg fast unbegrenzte Erweiterungsmöglichkeiten, während das vollständig saturierte Brüssel bereits heute jenseits seiner Kapazitäten lebt.
Wenn man diesen „Wanderzirkus“ also beenden will, dann kann der einzige Parlamentssitz nur derjenige sein, der es bereits heute ist – Straßburg. Es sei denn, jemand wäre so mutig und würde offen aussprechen, dass es einzig für die Lobbyisten von Vorteil wäre, würden alle Institutionen in Brüssel konzentriert. Das ins Gespräch gebrachte Trostpflaster der Europäischen Arzneimittelagentur ist ein trauriger Witz.
Dass Europa auch von und mit Symbolen lebt, das muss man wohl nicht mehr ausführen. Der neue französische Präsident Emmanuel Macron wusste sehr wohl, warum er zu seiner Siegesrede zu den Klängen der europäischen Hymne einmarschierte – und Macron weiß auch, dass ein „Dolchstoß“ für Straßburg der denkbar schlechteste Auftakt für seine Amtszeit wäre. Ob man das nun gutheißt oder nicht – europäische Reformen kann es nur geben, wenn sie von Frankreich und Deutschland initiiert und getragen werden. Da wäre ein europäischer Kahlschlag in Straßburg ein ziemlich negatives Signal an diese europäische Zusammenarbeit.
Es wäre hingegen ein starkes Signal, würden sich Macron und Merkel gemeinsam zu einer eindeutigen Aussage zugunsten von Straßburg durchringen – eine wunderbare Gelegenheit hierfür wäre der Antrittsbesuch des neuen französischen Präsidenten in Berlin. Und gleichzeitig ist es höchste Zeit, dass sich auch Berlin eindeutig hinter die europäische Zukunft Straßburgs stellt – denn in Straßburg hat Deutschland den Weg zurück in die Familie der europäischen Völker geebnet bekommen. Es wäre angebracht, würde Berlin das nicht vergessen.
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