Und die SPD feiert sich weiter selbst…
Das Endlos-Kandidaten-Casting der SPD um den Vorsitz einer Partei, die inzwischen nur noch die vierte (und manchmal fünfte) politische Kraft im Land ist, wird peinlich.
(KL) – Die SPD ist begeistert. Von sich selbst. Die seit Monaten andauernde und noch viele Wochen dauernde Kür der neuen Parteivorsitzenden (wobei das Format von den Grünen übernommen wurde, Doppelspitze mit einem Mann und einer Frau) interessiert, außer den SPD-Mitgliedern, niemanden mehr. Was als Renaissance der Basisdemokratie verkauft wird, ist nicht viel mehr als Planlosigkeit.
Parteien bei deren Nabelschauen zuzusehen ist langweilig. Letztlich erwartet man von der Politik, dass sie lokale, regionale, nationale und europäische Themen bearbeitet – ihre internen Befindlichkeiten sind uninteressant.
Die 22 Kandidaten-Shows der SPD laufen alle nach dem gleichen Prinzip ab – bei 5 Minuten Redezeit pro Kandidatenpärchen ist kaum mehr Zeit als für ein paar Slogans, die bei allen recht ähnlich klingen und zum Inhalt haben, die SPD müsse sich mehr um die Menschen kümmern. Ja, worum hat sich die SPD denn bisher gekümmert?
Und langsam stellt sich die Frage, wozu man die SPD überhaupt noch braucht. Als Mehrheitsbeschaffer wie weiland die FDP? Als sozialpolitisches Regulativ? Als Expertentruppe für Klima-, Sicherheits-, Innovationsfragen? Als das „linke“ Gegengewicht zum immer nerviger werdenden Rechtsextremismus? Keine dieser Rollen hat die SPD in den letzten 15 Jahren ausgefüllt, im Gegenteil.
Doch kann die SPD die Wählerinnen und Wähler davon überzeugen, dass durch eine ein halbes Jahr dauernde Kandidatenkür jetzt alles anders wird bei den Sozialdemokraten? Wohl kaum. Doch wie kann es sein, dass eine 150 Jahre alte Partei, die alle Höhen und Tiefen Deutschlands miterlebt hat, so dermaßen weit weg von den Menschen gelandet ist?
Auch die Landtagswahl in Thüringen wird die SPD verpassen, die Umfragen sehen sie gerade gleichauf mit den Grünen bei 8,8 % der Stimmen. Weit hinter Die Linke, der AfD und der CDU. Doch die SPD feiert sich weiterhin selbst, ein wenig wie die Erfinder der Basisdemokratie, doch die Wählerinnen und Wähler wollen von den Parteien wissen, wie diese mit den aktuellen Problemstellungen des Landes, Europas und der Welt umzugehen gedenken – die Frage des Parteivorsitzes einer unter-10 %-Partei interessiert wirklich niemanden mehr.
Mitten hinein in den historischen Absturz der traditionellen Parteien wartet die SPD nun mit einem Plädoyer für die Mittelmäßigkeit auf. Die Hinterbänkler wähnen ihre große Stunde gekommen, weitgehend unbekannte Kandidaten und Kandidatinnen präsentieren sich als charismafreie Retter in der Not. Mal ehrlich, wer soll denn da die Menschen begeistern? Ein Olaf Scholz, Buchhalter der Nation? Großmutter Schwan? Fliegenträger Lauterbach? Oder irgendeiner der anderen Kandidaten, deren Namen man sich kaum merken kann?
Ohne, dass sie es will, beschert die SPD den Extremisten weiteren Zulauf – die Gründe, sein Kreuz bei den Sozialdemokraten zu machen, werden immer weniger.
Die SPD würde viel gewinnen, würde sie endlich die eitle Selbstbetrachtung einstellen und wieder anfangen, „linke“ Politik zu machen. Das erwarten die Wählerinnen und Wähler der SPD von ihrer Partei. Aber bis dies bis ins Willy-Brandt-Haus in Berlin vorgedrungen ist, dürfte die SPD in einem Zustand sein, in dem sie bei jeder Wahl um die 5 %-Hürde kämpfen muss. Eigentlich schade.
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