Und jetzt: die „Rentrée“!

Die kommenden Wochen werden, wie jedes Jahr, eine echte Prüfung für unsere französischen Freunde und deren Nachbarn. Die „Rentrée“ stürzt ein ganzes Land in die Depression.

Kinder kommen mit der "Rentrée" eigentlich am besten klar. Der Schuljahresanfang ist eher für Erwachsene problematisch... Foto: Andreas Bohnenstengel / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Sie kommt unaufhaltsam näher, wie eine Naturgewalt. Nachdem Frankreich fast zwei Monate lang aufgrund des ewig langen Sommerurlaubs wie gelähmt war, kommt nun der Moment, vor dem sich alle fürchten – die „Rentrée“. Mit „Schuljahresbeginn“ ist dieser Begriff allerdings falsch übersetzt, auch wenn „Rentrée“ eigentlich von „Rentrée des classes“ kommt, also dem Schuljahresbeginn der Schulklassen. Doch das Phänomen „Rentrée“ geht weit über den Schulalltag hinaus.

Seltsamerweise verkraften ausgerechnet die Kleinsten die „Rentrée“ am besten. Sie finden ihre Klassenkameraden wieder, die Tage bekommen wieder einen geregelten Ablauf, das Sporttraining oder der Musikunterricht fangen wieder an – für Kinder ist die „Rentrée“ eigentlich eher stressfrei. Das eigentliche Problem sind nämlich nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen.

Für die Erwachsenen hat die „Rentrée“ eigentlich schon begonnen, was man daran erkennt, dass viele Mütter mit genervten Kindern und langen Listen in der Stadt unterwegs sind, um Schulhefte, Stiftmäppchen, Zirkel und andere Ausrüstungen zu erstehen, trotz des Wissens, dass genau diese Ausrüstungen entweder schnell verloren gehen oder daheim vergessen werden. Für diese Mütter (warum sieht man eigentlich kaum Väter mit diesen Einkaufslisten?) ist die „Rentrée“ bereits in vollem Gange.

Für die anderen wird die „Rentrée“ runde vier Wochen dauern, praktisch den ganzen Monat September. In dieser Zeit sollte man tunlichst vermeiden, sich mit französischen Kollegen zu Arbeitssitzungen zu treffen, es sei denn, man ist Freund chronisch schlechter Laune. Ebenso wenig sollte man größere Freizeitaktivitäten vermeiden, da im September in Frankreich alle knapp bei Kasse sind, nachdem die Wochen am Meer doch etwas mehr gekostet hatten als geplant. Vermeiden Sie Themen wie „Urlaub“, „Freizeit“, „Reisen“ – auf diese Stichworte reagiert man in den nächsten Wochen in Frankreich allergisch.

Doch unsere französischen Nachbarn werden auch dieses Jahr mit der „Rentrée“ umzugehen wissen. Denn die lange Sommerpause ist in Frankreich heilig – völlig zu Recht. Während wir Deutschen meinen, dass „Urlaub“ lediglich zur Wiederherstellung der vollen Arbeitskraft dient und deshalb überwiegend liegend und trinkend verbracht werden sollte, machen die Franzosen eine richtige Pause und erinnern sich in dieser Zeit daran, dass es im Leben mehr gibt als nur die Arbeit. Damit man im Sommer nicht etwa den Urlaub, sondern das Leben genießen kann, nimmt man eben den „Rentrée-September“ billigend in Kauf.

Seien Sie also ab kommenden Montag nachsichtig mit Ihren französischen Freunden, Nachbarn und Kollegen. Ab Oktober legt sich diese Spätsommer-Depression wieder, wenn alle anfangen, sich mental auf die Weihnachtszeit vorzubereiten…

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