Und jetzt haben sich alle wieder lieb…

Der Koalitionsstreit um eine kurzzeitige Verlängerung des Betriebs der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland wurde per Machtwort des Kanzlers entschieden. Und das scheint für alle OK zu sein.

Olaf Scholz hat in der Atomfrage ein Machtwort gesprochen. Foto: Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Erstaunlich – Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der Frage einer Verlängerung des Betriebs der letzten drei deutschen Atomkraftwerke „klare Kante“ gezeigt. Angesichts drohender Engpässe in diesem Winter können im Befarfsfall diese letzten drei deutschen Atomkraftwerke genutzt werden. Damit zeigte Scholz Führungsqualitäten; die Grünen konnten sich einmal mehr als regierungsfähige Realpolitiker positionieren, deren Realitätssinn bis zur Verleugnung ihrer heiligsten Prinzipieln geht und die FDP hat ihre ursprüngliche Forderung nach einer Verlängerung des Betriebs von zwei Atomkraftwerken tatsächlich durchgeboxt bekommen. Bis zum 15. April. Dann soll endgülltig mit Atomstrom aus deutscher Produktion Schluss sein. Ob das klappt?

Allerdings bezweifeln Experten, ob die Betriebsverlängerung dieser Anlagen wirklich einen Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Bundesrepublik leisten können. Die schwerfälligen Anlagen können nicht flexibel auf Gegebenheiten wie Sonne oder Wind eingestellt werden, weswegen im Falle der Hochproduktion die Erzeugung erneuerbarer Energien gedrosselt werden muss, um die eigenen Netze nicht zu überlasten.

Politisch war diese überraschende „klare Kante“ ein höchst geschickter Schachzug des Kanzlers. Nach der Niedersachsenwahl, bei der die FDP an der 5-Prozent-Hürde gescheitert war, drohte die Berliner Koalition zu platzen, da die FDP-Oberen als Begründung für ihre Wahlniederlage nichts anderes fanden als „dass ihre Klientel mit dieser Koalition noch fremdelt“, als ob FDP-Wähler und -Wählerinnen Politik durch eine derart infantile Brille betrachten würden. Diese Gefahr ist nun fürs erste gebannt, alle drei Koalitionspartner können ihrer Basis die Atom-Entscheidung als staatstragenden Kompromiss verkaufen.

Am Ende hatte man das Gefühl, dass sowohl Grünen-Chef Robert Habeck als auch FDP-Chef Christian Lindner froh waren, dass Olaf Scholz von seiner „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch machte und seinen Koalitionspartnern somit die Eintscheidung abnahm.

Doch kann heute niemand sagen, wie die Energie-Versorgungslage Mitte April 2023 aussehen wird. Die Absicht, den Ausstieg aus der Atomenergie zu vollziehen, steht kurz vor ihrer Vollendung, doch die Weltlage kann noch zu Situationen führen, in denen Prinzipien nacheinander der Notwendigkeit geopfert werden.

So oder so, Olaf Scholz hat tatsächlich ein wenig Ruhe in die Berliner Koalition gebracht und das ist in der heutigen Zeit sehr gut so.

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