Und plötzlich merken alle, wie teuer Atomstrom ist

Zum Ende der Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke, will niemand mehr diese Technologie gewollte haben. Die AKW-Betreiber und die Bundesregierung mauscheln munter weiter.

Trotz aller Ankündigungen - Fessenheim läuft munter weiter. Vermutlich bald unter Denkmalschutz. Foto: © Kai Littmann

(KL) – Sigmar Gabriel hatte am letzten Sonntag mal wieder eine Erinnerungslücke. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ lehnte er empört den Vorschlag der deutschen Energiewirtschaft ab, den deutschen Atompark in eine Bundesstiftung zu überführen, damit die Kosten für Rückbau und vor allem für die Endlagerung des Atommülls vom Steuerzahler getragen werden. Hierzu, so Wirtschaftsminister und Vizekanzler Gabriel, sei ihm aber kein entsprechender Vorschlag bekannt. Kleine Gedächtnisauffrischung: Am 13. und 18. Februar war dieses Thema Gegenstand von Gesprächen Gabriels mit RWE-Boss Peter Terium und Eon-Boss Johannes Teyssen.

Langsam, aber sicher, beginnen die Menschen zu begreifen, dass der einst als „sauber & billig“ bezeichnete Atomstrom das ganze Gegenteil ist. Nämlich extrem umweltschädlich und extrem teuer. Unvorstellbar umweltschädlich – ganze Landstriche sind dank Atomenergie auf Jahrtausende hinaus unbewohnbar. Und unvorstellbar teuer. Nicht nur, dass unsere Regierungen unter dem Druck der Energielobbys den Aufbau des Atomparks mit Milliardensummen subventioniert haben, dazu wurden auch noch diejenigen verspottet, die vor den langfristigen Kosten warnten. Vom Atomabenteuer haben eine Handvoll Konzern profitiert und nun, wo es an die tatsächlichen Kosten geht, will es niemand mehr gewesen sein.

Den Vogel schießt dabei allerdings Peter Terium von RWE ab, der frech behauptete, damals [zu Beginn des Atomzeitalters in Deutschland] „habe die Politik die Energiewirtschaft in die Atomenergie getrieben“. Genau. Mit vorgehaltener Waffe. Weswegen, so die Logik Teriums, nun auch die Politik, sprich der Staat, sprich wir alle für die Kosten aufkommen müssen, während die Jahrzehnte lang erwirtschafteten Gewinne so eine Art „Schmerzensgeld“ für die erlittenen Traumata sein müssen. Der in den letzten Jahren so häufig verwendete Slogan „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ trifft wieder einmal zu 100 % zu.

Wir lernen jeden Tag dazu – so auch, dass die deutsche Energiewirtschaft einen Oscar verdient hätte. Wer sich an die ideologisch geprägten Charme-Kampagnen für Atomstrom der Energiekonzerne in den letzten Jahrzehnten erinnert, der wäre nie darauf gekommen, dass die Energiekonzerne nur gegen ihren Willen für diese Technologie geworben haben und auch die alle Vierteljahr vermeldeten Rekordgewinne nur äußerst ungern eingestrichen haben. Jetzt wissen wir’s. Die mussten die AKWs gegen ihren Willen betreiben. Die Armen.

Unwohl wird einem aber doch bei dem Gedanken, dass unser Wirtschaftsminister bereits im stillen Kämmerlein mit den Bossen der Atomkonzerne verhandelt. Die Drohung von Peter Terium ist deutlich – „wir müssen eine für alle verträgliche Lösung finden“, sagte er in Richtung Sigmar Gabriel, der ja schon mal genau das Gegenteil dessen macht, was er sagt. Siehe Waffenexporte. Und Sigmar Gabriel ist natürlich erpressbar – mit den Arbeitsplätzen in der Energiewirtschaft.

Jede Wette – wir alle werden noch richtig viel dafür bezahlen, dass diese Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Die Atomwirtschaft wird nicht nur nichts bezahlen, sondern noch Milliardenbeträge als Trostpflaster dafür erhalten, dass die ihr gegen ihren Willen aufgezwungene Technologie keine Gewinne mehr einsprudelt. Hinterher wird man uns erzählen, dass der dann explodierende Strompreis für Verbraucher an den horrenden Kosten für erneuerbare Energien liegt.

Schade, dass es selbst in einer solchen Situation nicht einmal ein klares Wort gibt – ja, wir haben uns getäuscht, ja, wir sind der Atomlobby auf den Leim gegangen. Das könnte ja mal gesagt werden. Wir sollten uns schon einmal an den Gedanken gewöhnen, dass wir künftig den Fernseher mit einem Fahrraddynamo betreiben und dass es im Winter nur noch warm wird, wenn wir eigene Solaranlagen betreiben.

Die Ausrichtung auf die Atomenergie war einer der größten und folgenschwersten Fehler des letzten Jahrhunderts. Und jetzt will es keiner mehr gewesen sein. Wundern sich da die Politiker wirklich noch, dass die Menschen das Vertrauen in Politik und die Chefetagen der Wirtschaft verloren haben?

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