Und sie machen weiter wie bisher…

Das, was früher einmal „Volksparteien“ waren, implodiert gerade. Das allerdings hält sie nicht davon ab, weiter ihre formatierten Kommunikationen zum Besten zu geben. Und ihren Absturz sogar als „Erfolg“ zu verkaufen.

Wahlplakate aus Sachsen, wie aus einem anderen Jahrzehnt. Dabei schreiben wir das Jahr 2019... Foto: PantheraLeo1359531 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – So richtig ist es bei den ehemaligen „Volksparteien“ noch nicht angekommen, dass sie gerade implodieren. Und dass sie es sind, die eine Hauptverantwortung dafür tragen, dass Deutschland vom Osten her immer brauner wird. Die Reaktionen seitens der Parteien am Wahlabend sind erstaunlich. Erstaunlich bis realitätsfremd, um genauer zu sein.

Olaf Scholz, seines Zeichens Bundesfinanzminister und einer der unübersichtlich vielen Kandidaten für den Parteivorsitz der SPD, war’s zufrieden. Er wollte irgendwo in der braunen Welle, die gerade über Ostdeutschland schwappt, ein „gutes Abschneiden“ seiner Partei erkannt haben. Da muss er den Zittersieg seiner Partei in Brandenburg gemeint haben, wo sich die SPD mit 26,2 % der Stimmen (-5,7 %) knapp vor der AfD 23,5 % (+11,3 %) ins Ziel rettete. Das Ergebnis seiner Partei in Sachsen (7,7 %, das schlechteste Ergebnis der SPD bei einer Landtagswahl aller Zeiten) kann er kaum gemeint haben. Sein sächsischer Spitzenkandidat, Martin Dulig, der gerade mal so die 5 %-Hürde überklettert hatte, schien auch nicht sonderlich von diesem Wahldesaster erschüttert zu sein – noch am Wahlabend bescheinigte er der sächsischen SPD, „der coolste Landesverband“ zu sein. Prima, wenn alle so zufrieden sind.

Nicht viel anders sieht es bei der CDU aus. Spitzenkandidat Michael Kretschmer befand, dass der Verlust von 7,3 % der Wählerstimmen (Ergebnis 32,1 %, AfD 27,5 % bei einem Plus von 17,7 %) für seine Partei „ein guter Tag“ war. Da stellt sich die Frage, was hätte passieren müssen, damit es für Herrn Kretschmer „ein schlechter Tag“ gewesen wäre?

Und einig waren sich alle Verlierer dieses Tages, CDU, SPD und die früher einmal im Osten starke Die Linke, dass sie eigentlich alle eine tolle Politik gemacht haben, diese aber nicht „gut genug kommuniziert haben“. Was bedeutet, dass die Wählerinnen und Wähler einmal mehr zu blöd waren zu erkennen, was für großartige Parteien sie eigentlich haben. Wie schmerzfrei sind diese früheren Volksparteien eigentlich, dass sie nicht merken, dass sie kurz davor stehen, in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden?

In Sachsen verloren die drei im Land „großen“ Parteien CDU, Die Linke und SPD zusammen 20,5 % der Stimmen, während die AfD 17,7 % zulegen konnte. Zwar wird die CDU als stärkste Partei einer neuen „Anti-AfD-Koalition“ weiterhin den Ministerpräsidenten stellen können, doch wer Politik als Entwicklung begreift, dem ist klar, dass dies das letzte Mal sein könnte, dass die CDU im Land den Regierungschef stellt. Und das soll ein „guter Tag“ gewesen sein?

In Brandenburg verloren diese drei Parteien zusammen 21,0 % der Stimmen – ein „gutes Abschneiden“? Ist das die „neue Bescheidenheit“ der ehemaligen Volksparteien oder der völlige Realitätsverlust?

Dass diese Parteien es nicht schaffen, aus ihrer schon viel zu lange dauernden Nabelschau herauszukommen, ist offensichtlich. So scheint die SPD tatsächlich zu glauben, dass ihr Eiertanz um den Parteivorsitz, der sich mit einer unübersichtlichen Anzahl unbekannter Kandidaten und Kandidatinnen über Monate hinzieht, für die Wählerschaft spannend ist. Und die CDU sucht verzweifelt nach einer Richtung, wobei AKK versucht, eine Annäherung an die AfD zu verhindern. Das ehrt sie, dürfte sie über kurz oder lang aber auch das Amt kosten, da es immer mehr Stockkonservative in der CDU gibt, die sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen können. Es gibt eben immer Verlierer, die sich nicht zu schade sind, schwanzwedelnd bei den Gewinnern vor der Tür zu stehen.

Die völlige Unfähigkeit der früheren Volksparteien zur ehrlichen Selbstanalyse und zu Richtungsänderungen ihrer Politik ist einer der Hauptgründe für den Aufstieg der rechtsextremen AfD, die sich händereibend auf die nächsten Wahlen freut. Die Grünen werden langsam, aber sicher, zum letzten Hoffnungsträger, um die braune Welle im Bund aufzuhalten. Doch werden sie es schaffen, diese Rolle auszufüllen oder sind auch die Grünen gerade dabei, eine 08/15-Partei wie CDUCSUSPD zu werden?

Die aktuelle Entwicklung ist dramatisch, und niemand scheint Willens oder in der Lage zu sein, Braun aufzuhalten. So stellt man sich die Situation am Ende der Weimarer Republik vor – auch damals gab es einen Point-of-no-return, ab dem die Braunen nicht mehr zu stoppen waren und die Situation eine Eigendynamik erhielt, die sich an den Wahlurnen ausdrückte. Vielleicht sollte man sich noch einmal vor Augen führen, dass die Nazis 1933 durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen waren. Gewählt von ganz vielen Deutschen, die damals auch „nicht alle Nazis“ waren. Muss sich Geschichte eigentlich immer wiederholen?

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